Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн
28 страница из 117
Kanon der Formate
Eine Aufführung ist also in gewisser Weise die „Anwendung“ des Werks im Format. Die Werke werden im Laufe der Zeit dabei genauso ein ums andere Mal neu interpretiert und evaluiert, wie auch die Formate sich in der Wahrnehmung des Publikums und der Programmverantwortlichen bewähren müssen. Der für jede Epoche unterschiedliche Bestand zentraler Werke, ihr „Kanon“, ist genauso veränderlich wie der Kanon der Formate.
Wie auf der Werkebene gibt es auch bei den Formaten die Kategorie der „Kreationen“ bzw. „créations“, die nur im Entstehungszusammenhang der sie hervorbringenden Künstler*innen funktionieren und sich von ihnen nie wirklich ablösen. Aus ihnen wird selten ein Werk, das autonom existiert und auf andere Interpret*innen wartet. So verhält es sich oft mit den Stücken des devised theatre, die auf den Leib bestimmter Künstler*innen geschrieben wurden bzw. von deren Mitgestaltung geformt wurden, sodass sie das Ergebnis eines kollektiven Entstehungsprozesses sind und an die Präsenz der sie Hervorbringenden gebunden bleiben. Temporäre oder neue Formatkreationen bleiben oft in ähnlicher Weise an die Urheber*innen gebunden, und das bedeutet, dass diese den Inhalt ihres Formats immer wieder neu schreiben, manchmal über Jahre hinweg. Und so nagt der Zahn der Zeit am Format vor allem von innen. Es sei denn, das Format kann sich von den es Hervorbringenden lösen und wie ein Showformat auf die Reise durch die Sender und Länder gehen.