Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Komponierend wollte sie indes nicht zu ihrem Nachruhm beitragen. »Du weißt, das Partiturlesen wird mir nicht leicht, dazu brauche ich Zeit«, schrieb sie Johannes Ende 1858 in einem Brief231 und gestand noch über dreißig Jahre später ohne Bedauern ein, dass sie allein bei einem Stück wie einem Streichquintett von Brahms »zu wenig Übung im Lesen solcher Werke habe, um mir einen klaren Begriff von ihrer Wirkung machen zu können«.232 Dementsprechend wären ihr komplexe Instrumental- und Orchesterkompositionen schwergefallen. Als Johannes ihr anlässlich seines eigenen Geburtstags das h-Moll-Intermezzo aus den Vier Stücken für Klavier op. 119, Nr. 1 schenkte, gestand sie ein: »Es ist recht verkehrte Welt, anstatt daß ich Dich zu Deinem Geburtstag, wie so gern, beschenkt hätte, beschenkst Du mich! Aber so hätte ich es ja nicht gekonnt.«233 Zwanzig Jahre bevor sie Johannes kennenlernte, hatte sie zwar als 14-jährige Clara Wieck Ideen für ein Klavierkonzert zu Papier gebracht. Ohne ihren jungen Klavierlehrer Robert Schumann wäre es der Jugendlichen aber kaum gelungen, den Skizzenwust zu ordnen und zu orchestrieren: Zuerst den längsten Satz, das Finale; dann den mit »Romanze« überschriebenen »Andante non troppo con grazia«-Mittelsatz und schließlich den Kopfsatz im »Allegro maestoso«. Gute Beziehungen und ihr Ruhm als mädchenhafte Meisterin am Pianoforte ermöglichten 1835 die Uraufführung mit dem Leipziger Gewandhausorchester unter Mendelssohns Leitung. Gedruckt wurde das Stück zu ihren Lebzeiten nicht. Die Instrumentierung war einfach zu dürftig, die melodischen Einfälle zu blass und die Gesamtanlage wirkte eher wie mit Orchesterbegleitung aufgeplusterte Kammermusik – nicht zuletzt ist der langsame Satz vornehmlich ein Duo für Klavier- und Cello-Solo. Die Klavierkonzerte von Ignaz Moscheles, Bernhard Scholz, Ferdinand Hiller und Luise Adolpha Le Beau sowie die Kammermusik von Fanny Hensel sind hörenswerter und selbst ein guter Freund wie Joseph Joachim brachte für sein Hauptinstrument mehr Konzerte mit Orchester zustande. Wenn Liszt seinen Verstand nicht gerade daran vergeudete, virtuose Opernparaphrasen zu zaubern, schrieb er gehaltvollere Klaviermusik und Brahms war auf dem Weg, der bedeutendste deutschsprachige Kammermusik- und Liedkomponist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu werden. Selbst unter den komponierenden Frauen besaß Clara nicht die überbordende Fantasie ihrer deutschen Zeitgenossin Emilie Mayer, die acht Sinfonien schrieb, der Französin Louise Farrenc, der Engländerin Alice Mary Smith oder ihrer Freundin Pauline Viardot-García. An deren privat in Baden-Baden gespielten Opern auf Texte von Turgenjew bewunderte Clara »mit welchem Geschick, feinsinnig, anmuthig, abgerundet das Alles gemacht ist, dabei oft amüsantester Humor«.234 Umgeben von wahren Kompositionstalenten musste sie einfach die Segel streichen. Dabei fand Musik von Frauen durchaus Aufmerksamkeit im 19. Jahrhundert. Gelegentlich wurde Clara bei ihren Konzerten ermuntert, auch Werke aus der eigenen Feder zum Besten zu geben. »Mein 2. Concert ist am 8.«, schrieb sie aus Wien an Joachim. »Mein Trio!!! Was sagen Sie zu dieser Courage? Es geschieht zum ersten Male, daß ich’s öffentlich spiele, und wahrhaftig nur auf dringendes Zureden von vielen Seiten.«235 Dort und auch etliche Jahre später in London freute sie sich, dass das Publikum das Stück »höchst freundlich aufnahm«, und sie das Scherzo sogar wiederholen musste.236

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