Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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Clara musste sich aber eingestehen: Sie war keine Komponistin. Es drängte sie nicht zum Komponieren. Sie hätte während ihrer ausgedehnten Tourneen Skizzen und Ideen für Kammermusik und Orchesterwerke entwickeln können, denn zumindest während der Sommermonate blieb genug Zeit, neue Liederzyklen, Sonaten und Klavierkonzerte für eigene Auftritte auszuarbeiten. Andere Künstler haben es auch so gehalten: Der gemeinsame Freund Julius Otto Grimm hinterließ zwar nur ein schmales Œuvre, weil er als Dirigent und Lektor in Münster beruflich stark eingespannt war, aber er komponierte sein Leben lang. Dies galt zudem für ihre ehemalige Schülerin und Brahms’ Jugendfreundin Louise Japha, die als Pianistin den Ruf einer geist- und temperamentvollen Schumann-Interpretin genoss. Gerade so wie der Dirigent Hermann Levi, der nach der Begegnung mit Brahms erkannte, dass er als reproduzierender Künstler unendlich mehr zu leisten vermochte denn als produzierender, sah auch Clara deutlich, dass sie vor allem ihrem »innigstengeliebten Robert« zum Gefallen komponiert hatte, dem sie Werke »in tiefster Bescheidenheit« widmete.226 Aber sie verspürte keine innere Notwendigkeit dazu, sondern sah, dass sie sich als Interpretin inmitten ihrer »größten und erfolgreichsten Thätigkeit« befand.227 Zwar hätte sie auch allein vom Unterrichten zu Höchstpreisen leben und es sich dank der finanziellen Unterstützung wohlhabender Freunde sogar leisten können, vorübergehend auf manche anstrengende Konzertreise zu verzichten. Sie betrachtete es aufgrund ihrer Begabung aber geradezu als Verpflichtung, die für sie besonders kostbare Musik auch international zu fördern. In ihrer Jugend hatte sie genügend amateurhafte Darbietungen erdulden müssen – jetzt war Claras Zeit gekommen, sich mit versierten Profis an die gewaltige Aufgabe zu wagen, denn sie wusste: Ein Verstand braucht große Musik wie das Schwert den Schleifstein. »Das Liebhaberthum, die ›organisirte Dilettantenschaft‹, war die herrschende Macht in dem vormärzlichen Concertwesen; sie ging als solche zu Grunde an ihrem Unvermögen, den gesteigerten künstlerischen Anforderungen zu genügen«, beschrieb Eduard Hanslick die Entwicklung, die sich in allen deutschsprachigen Regionen ähnlich abspielte. »Im Gegensatz zu der früheren ›Association der Dilettanten‹ ist die ›Association der Künstler‹ das charakteristische Moment in den großen Concertinstituten des nachmärzlichen Wien. Unsere stabilen Concertinstitute, die ›Philharmonie‹ und die ›Gesellschaft der Musikfreunde‹, sind in strengem Sinne Künstler-Concerte, Association der Fachmusiker. Die Thronentsagung des Dilettantismus war eine kunsthistorische Nothwendigkeit – und sie vollzog sich fast kampflos.«228

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