Читать книгу "... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!". Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben онлайн

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»Du weißt nicht, wie er früher war, so zart und liebevoll, ein idealer Mensch«, zitierte Eugenie ihre Mutter. Die jüngste Tochter nahm Brahms oft in Schutz und argumentierte: »Ein Mensch von fünfunddreißig Jahren wird immer ein andrer sein, als er mit fünfundzwanzig war; das Leben ist ein Erhärtungsvorgang, es erhärten sich mit den guten auch die weniger guten Eigenschaften, je nachdem Erfahrungen und Bestrebungen darauf einwirken.«213

Was die Verbindung letzten Endes unerschütterlich machte, war nach Eugenies Einschätzung, dass Clara Johannes »wahrhaftig und innig mit der ganzen Wärme ihres Herzens« liebte. »Man hätte – wie es auch geschehen ist – ihre Gefühle mit der Liebe einer Mutter zu ihrem Sohne vergleichen können, wäre nicht das Element der Verehrung so stark darin zum Ausdruck gekommen«, schrieb sie. »Die Verehrung, die sie für den Künstler empfand, übertrug sie auch auf den Menschen.« Und was Brahms laut Eugenie an ihrer Mutter »über alles liebte, was ihm mehr wert war als ihr künstlerisches Verständnis, das war ihr großes Herz, von dem er wußte, daß es ihn immer lieb haben, ihm immer verzeihen werde, und wenn er auch eine Legion Teufel dagegen losließe«.214 Dies war auch nötig, denn für seine Späße brachte die eher ernsthaft veranlagte Clara nicht immer das nötige Verständnis auf. Der Schweizer Freund Joseph Victor Widmann berichtete, Brahms »hatte eine tief wurzelnde Abneigung, sich irgendwie feierlich zu geben, ja, man darf sogar sagen, eine Art Schamhaftigkeit, sein tieferes Fühlen zu verraten, was dann allerdings gelegentlich – und so auch in diesem Falle – bewirkte, daß er im Suchen nach einem leichten, scherzhaft sein sollenden Ton den rechten Ausdruck verfehlte und mit etwas herausplatzte, das unartig klang, während es keineswegs böse gemeint war«.215 Die Diskrepanz unter den Künstlernaturen veranschaulicht ein Erlebnis während eines Besuchs von Brahms bei Hermann Goetz. Als Brahms auf einem Stehpult frisch beschriebene Notenblätter sah – ein Kammermusikstück, das Goetz gerade beschäftigte –, warf er einen Blick darauf und bemerkte: »Ah! Amüsieren Sie sich auch manchmal mit dergleichen!« Sofort breitete der Angesprochene beide Hände über die Noten und sagte mit jugendlich-feierlichem Ausdruck: »Es ist das Heiligste, was ich habe!« Brahms, so Widmann, wandte sich verärgert ab, sprach von etwas anderem und verabschiedete sich bald.216 Musik, Kunst, Kultur waren für Johannes ein Quell der Freude, kein Altar oder Monument.

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