Читать книгу Hybridtheater. Neue Bühnen für Körper, Politik und virtuelle Gemeinschaften – Drei Gespräche онлайн

20 страница из 25

Hybridtheater beruht auf Echtzeit-Technologien, die es erlauben, die digitale und physische Ebene seiner doppelten Existenz durch verschiedene Inputs ständig zu modifizieren. Da Ton und Bild (wie die Live-Performance) im selben Moment bearbeitet werden können, überlagert oder vermischt sich das Bühnengeschehen mit anderen Bildern und Klängen, sodass mit dem Abbild selbst gespielt wird. Was wir im Leben oft erst im Laufe der Zeit herausfinden – dass die Dinge sich so oder auch ganz anders betrachten lassen –, geschieht auf dem digitalen Spielfeld durch die Wechsel der Kameraperspektive und die Kommentare der Mitsehenden automatisch. Neben der Diversifizierung der Perspektiven entsteht also auch eine Aktivierung der Betrachtenden, die in die Situation der Aufführung eintreten können – bisweilen physisch, oft und vorzugsweise aber auch durch ihre Wortmeldung, ihr Mitspielen oder im Austausch mit anderen Gästen.

Während zum Beispiel die Fans vom Tatort diesen in diversen Online-Foren live kommentieren und untereinander bewerten können, kann die Sendung selbst aus ihrer linearen Struktur nicht austreten. Das hybride Theater aber öffnet sich den Einwirkungen seiner Fans und Zuschauer*innen und trägt ständig die Züge eines offenen Spiels. In seiner Geschichte hat das westliche Theater seine Gemachtheit in unterschiedlichen Formen thematisiert – im Extempore, in der Durchbrechung der vierten Wand, anhand epischer Mittel, mit denen sich Schauspieler*innen oder Autor*innen selbst einbringen. Im digitalen Theater dichtet das Publikum mit und schreibt im Chat, was es denkt, während das vorproduzierte Theater läuft und ihm für dieses Feedback eigene Sektoren einrichtet. Dieser Kommentarteil fließt in einem Stück wie Es ist zu spät sofort in das Stück ein, dessen Skript porös, aber dennoch keine durchgehende Improvisation ist. Vielmehr steigert sich die präsentische Geistesgegenwart der Aufführung in schwindelerregende Höhe. Im Skript seiner Aufführung wird das Publikum selbst zur (kollektiven) Figur, die Arne Vogelgesang mitschreibt, anspricht, in sein System integriert und aktiv inszeniert.

Правообладателям