Читать книгу Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung. Eine hermeneutische Analyse von Lehrwerken der gymnasialen Oberstufe онлайн

45 страница из 61

Literary atmosphere: Eine sinnvolle literaturdidaktische Kategorie?

Als Spezialfall des sogenannten spatial turn in den Literatur- und Kulturwissenschaften ist dem Konzept „Stimmung“ hingegen nur marginal Aufmerksamkeit zuteil geworden (die anglistische Arbeit von Hoffmann 1978 mag noch als Vorreiter gelten, vgl. aber die germanistische Herausgeberschaft von Gisbertz 2011, die Essaysammlung des Komparatisten Gumbrecht 2011 sowie die interdisziplinären Beiträge in Lehnert 2011 und Arburg/Rickenbacher 2012).5 Einschlägige Wörterbücher wie das Glossary of Literary Terms tun sich schwer mit dem Begriff und widmen ihm zwar einen Eintrag, deuten damit aber lediglich seine prekäre Stellung zwischen sujet, Text und Rezipient:in an, ohne damit das komplexe Phänomen hinreichend zu erklären: „‘Atmosphere’ is the emotional tone pervading a section or the whole of a literary work, which fosters in the reader expectations as to the course of the events, whether happy or (more commonly) terrifying or disastrous.“ (Abrams/Halpham 2015: 20) „atmosphere“ wird hier zu einer formalen, generischen Texteigenschaft, da sowohl das Drama als z.B. auch die Gothic Novel sich aus jeweils spezifischen – und demzufolge anscheinend objektivierbaren – ‚Stimmungen‘ speisen (vgl. Abrams/Halpham 2015: 96, s.v. „drama“, und 152 s.v. „Gothic Novel“).6 Ein:e Rezipient:in nutze demzufolge die textlich generierte atmosphere lediglich, um dramaturgische Voraussagen über einen Plot und dessen Ausgang zu machen: von immersiven, empathischen Reaktionen auf Figuren oder Ereignisse ist hier keine Rede. Das Dictionary of Literary Terms and Literary Theory stellt immerhin eine ungreifbare – damit auch die unbegriffliche, nicht-diskursive? – Wahrnehmung des Kunstwerks durch die Rezipient:innen stärker in den Vordergrund („the intangible quality which appeals to extra-sensory as well as sensory perception, evoked by a work of art“, Cuddon 2013: 57) und unterscheidet davon Henry James’ Begriff einer Rekonstruktion der Autor-Intention durch die Rezipient:innen: Diese „atmosphere of the mind“ spiegele „what the subjective writer of the novel tries to convey to the reader. After a time we in a sense ‘inhabit’ the writer’s mind, breathe that air and are permeated by his vision.“ (Cuddon 2013: 57) Ein Konsens darüber, inwieweit nun schöpferischer Prozess, das Kunstwerk als Produkt und Objekt, oder dessen subjektive Wahrnehmung im Rezeptionsmoment von „Stimmung“ gezeichnet sind, wird mit diesen Definitionsversuchen nicht erreicht – in dem Begriff konvergieren zu viele „Phänomenbereiche, in denen sich herkömmliche Kategorien überschneiden und sich wechselnde Sinnzuschreibungen ergeben. Stimmungen entziehen sich eindeutigen Kategorisierungen.“ (Gisbertz 2011: 8)

Правообладателям