Читать книгу Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung. Eine hermeneutische Analyse von Lehrwerken der gymnasialen Oberstufe онлайн

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Nicht selten stellt sich bei einer solchen Sicht auf einen umfangreicheren Text angesichts der learning outcomes die Frage: „What happened to the text in this learning environment?“ Einem weiteren wichtigen Rezeptionsforscher, Wolfgang Iser, zufolge setzt die Vorstellungskraft angesichts einer hohen Zahl von „Leerstellen“ nicht nur einen imaginativen Ergänzungsvorgang ersten Grades frei (im Sinne der „good continuation“, die Iser aus der Wahrnehmungspsychologie entlehnt; vgl. Iser 1976: 287): Vielmehr verursache die Vorstellungskraft angesichts der „Leerstelle“ im Text eine „verstärkte Kompositionsaktivität des Lesers, der nun die kontrafaktisch, oppositiv, kontrastiv, teleskopierend oder segmentierend angelegten Schemata – oftmals gegen eine entstehende Erwartung – kombinieren muß“ (Iser 1976: 288), um fehlerhafte Voraussagen (und also Füllungen früherer Leerstellen) zu korrigieren. Derartige kompositorische „Leerstellen“ haben sich im Lehrwerk angesichts der (notwendigen) Fragmentierung von literarischen Texten nunmehr zu inhaltlichen Lücken gewandelt, die in Unkenntnis des Textganzen von den Lernenden aufgefüllt werden sollen. Sie können zwar von den Schüler:innen auf der Ebene der „Vorstellungen ersten Grades“ gefüllt, aber nicht auf der komplexeren Ebene zu „Vorstellungen zweiten Grades“ erweitert werden (Iser 1976: 290). Damit nicht genug: Durch die per Lehrwerk fragmentarisch vermittelte Textkenntnis wird den Schüler:innen die Erfahrung der Selbstkorrektur im fortschreitenden Lesen genommen; stattdessen stützen sie ihre Aussagen und Meinungen nur auf jene minimalen, selten hinreichend kontextualisierten Textpassagen.

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