Читать книгу Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung. Eine hermeneutische Analyse von Lehrwerken der gymnasialen Oberstufe онлайн

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Primat der Rezipient:innen?

Die verstehende Auseinandersetzung beginnt bei der Interaktion zwischen Leser und Text, die sich aber zu einer Interaktion zwischen Leser und Leser im Unterricht wandelt, bei der Reaktionen auf das Gelesene, Inferenzen und Hypothesen kommunikativ ausgetauscht und verhandelt werden. Aus dieser kommunikativen Verhandlung in der Interpretationsgemeinschaft entsteht der Textsinn. (Steininger 2014: 419)

Ein solches Verfahren der gemeinschaftlichen Sinnkonstitution wird jedoch am ehesten in Kenntnis des gesamten Textes zu angemessenen Ergebnissen führen, was für die meisten im Unterricht der Sekundarstufe I behandelten literarischen Formen wie Gedicht und Kurzgeschichte gilt.8 Mit der Lektüre von isolierten Passagen aus umfangreicheren Werken im Unterricht der Sekundarstufe II, wie sie in den Lehrwerken angeboten werden, müssten hingegen nach einer solchen gemeinschaftlichen Sinnkonstitution bestimmte Lesarten eines Textes im Zweifelsfall modifiziert, vielleicht sogar ‚korrigiert‘ werden – mit Hinweis auf den Situationscharakter der jeweils behandelten Passage, oder durch Lektüre von weiteren Textausschnitten, die eine differenzierte Sicht auf komplexere Anlage des Werkes zulassen. Denn, und hierin liegt eine weitere Gemeinsamkeit der hier betrachteten Lehrwerksgeneration, die Schüler:innen werden aktuell nur mehr mit ein- bis zweiseitigen snippets aus umfangreicheren Erzähl- und Dramentexten konfrontiert und sollen,9 ohne hinreichende (Er-)Kenntnisse über das literarische Werk als Ganzes, einen Satz Aufgaben von der bloßen Zusammenfassung über die Erfassung der Atmosphäre und der Figuren-Charakterisierung bis zu kreativen Transformationen des Gelesenen bearbeiten.

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