Читать книгу Soziale Arbeit und Polizei. Zwischen Konflikt und Kooperation онлайн
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Bereits die reaktive Polizei agierte in sozialen Bezügen. Die Abwehr von Gefahren und die Aufklärung von Straftaten ist umso erfolgreiche, je besser die Polizei Situationen und soziale Milieus kennt, je mehr Vertrauen oder Anerkennung sie bei den Menschen genießt. Durch die ›präventive Kehre‹ wird das polizeiliche Interesse an gesellschaftlichen Sachverhalten jedoch erheblich verstärkt. In den 1970er Jahren hat der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, die Vorstellung propagiert, die Polizei sei eine Einrichtung, die zur sozialen Sanierung der Gesellschaft beitragen könne, weil sie ein Erkenntnisprivileg habe: Da sie immer dann gerufen werde, wo anders nicht zu lösende Probleme entstehen, könne man aus dem polizeilichen Handlungsprofil die Notwendigkeiten politisch-sozialer Reformen herleiten (Herold 1980). Diese Auffassung hat sich in den Polizeien nicht durchgesetzt. Sie ist auch sachlich falsch. Denn die Polizei wird immer erst am Schluss einer Handlungskette gerufen. Die Herold’sche Sichtweise ist aber insofern von großer Bedeutung, weil ihr die Vorstellung zugrunde liegt, dass es soziale Sachverhalte sind, die polizeiliches Tätigwerden veranlassen. Deshalb muss eine moderne, aufgeklärte Polizei ihren Blick auf die sozialen Bedingungen richten, unter denen sich kriminalisiertes Verhalten entwickelt. Genauer: Die präventive Polizei richtet ihr Augenmerk auf das Vorgelagerte, das nicht kriminalisierte und das (noch) nicht gefährliche Vorfeld, auf die Formen des Zusammenlebens, der alltäglichen Lebensbewältigung und auf die soziale Problemlagen etc.