Читать книгу Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge онлайн
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Ansichtskarte, 1913
Ein zentraler, von vielen Städtern erwünschter Gegensatz war dabei das Eintauchen in eine andere Sinneswelt. Es war die Sehnsucht nach einer Erholung von der Vielzahl urbaner Impressionen, nach einer Wiederbelebung der abgestumpften Sinne und einer häufig empfundenen Überreizung auf allen Ebenen, visuell, olfaktorisch und besonders akustisch.
Die moderne Großstadt und die bürgerliche Gesellschaft, deren reibungsloses Funktionieren kontrollierten Abläufen, diszipliniertem Verhalten und strikten Affektregulierungen zu verdanken war, benötigte eine Projektionsfläche, einen Sehnsuchts- und Ruheort, wie ihn die Sommerfrische gleichsam auf utopische, fast schlaraffenlandähnliche Weise darstellte. Nicht zufällig kam damals etwa für das Salzkammergut der romantisch geprägte Begriff der »Seelenlandschaft« auf.
In der Sommerfrische konnte man zumindest temporär andere Sinneseindrücke genießen und die gesundheitsfördernde Wirkung einer Orts- und Zeitveränderung spüren. Schon die Reise dorthin war – mit jedem Kilometer, den man sich von der Stadt entfernte – erlebte Entspannung. Peter Altenberg brachte dies auf seiner Fahrt mit der Südbahn hinaus ins Gebirge so zum Ausdruck: »Meidling, Liesing, Guntramsdorf, Mödling, Baden, näher, näher, immer näher, die Luft immer frischer, gebirgiger, endlich Payerbach.« Stieg man aus dem Zug aus, war man eigentlich schon ein anderer.