Читать книгу Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge онлайн

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Doch was verbirgt sich hinter dem offenkundigen Boom? Liegt die erneute Zugkraft der Sommerfrische angesichts wiederkehrender Hitzewellen an ihrem Versprechen einer sinnlich anders erlebbaren Gegenwelt? Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie eng Sommerfrische und umfassender »Sinneswechsel« seit jeher konnotiert sind.

Es war Ende des 19. Jahrhunderts, als die Sommerfrische-Bewegung deutlich an gesellschaftlicher Breite gewann. Angehörige des aufsteigenden Großbürgertums, aber zunehmend auch die gehobene Mittelschicht wurden zu prominenten Trägern dieser Übersiedelung auf Zeit. Sie alle bekundeten damit ihre soziale Stellung: gesellschaftliche Distinktion durch Teilhabe an der Sommerfrische. Bürgerliche Familien konnten, mussten und wollten es sich leisten, vier Monate im Jahr mitsamt Familie und Dienstboten der Stadt zu entfliehen.

Die Großstädte wurden im Sommer merkbar leerer. Allein in Wien schätzte man um 1900 die Anzahl der Stadtflüchtigen in der »Saison« auf 100.000 bis 150.000 Personen. Eine »Urbanisierung« im weitesten Sinne hatte eingesetzt; eine Großstadt wie Wien mit ihren mittlerweile fast zwei Millionen Einwohnern reichte, so gesehen, viele Hunderte Kilometer weit ins Land hinein, hatte ihre Ausleger im Hochgebirge und an den Seen und verbreitete dort ihre Kultur und ihren Lebensstil.

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