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«Weißt du», begann Frau Barbara wieder und ergriff Gertruds Rechte, die kraftlos neben ihr auf dem Sofa lag, «manchmal ist man halt selber auch nicht ganz ohne Schuld … aber wenn man sich ausspricht und beide den guten Willen haben, einander zu verstehen, dann, sollte man wahrhaftig meinen …»

«Mama, ich habe alles versucht … aber … er hat so gar keinen innern Kontakt mit mir … ich lebe wie in einer andern Welt, und ich kann ihm das lange begreiflich machen … er versteht es nicht oder will es nicht verstehen … und dann kommt er doch immer und … und verlangt von mir … ohne Rücksicht …» Sie wurde wieder von innen her geschüttelt, legte die Stirn plötzlich noch einmal an Mamas Schulter und schluchzte laut: «… und ich kann doch nicht, ich kann es doch nicht!»

Die Mutter schwieg. Ihr Gesicht, das den stolz beherrschten Ausdruck sonst wie gestempelt trug, schien von allem Bewußtsein verlassen, ein schmerzlicher Gram, der sich allmählich in Zorn verwandelte, entstellte ihre Züge. Das Elend all der brüchigen Ehen, die sie aus eigener Anschauung kennengelernt oder aus Gesprächen erfahren hatte, stieg vor ihr auf, mit all den unaussprechlich beschämenden Folgen, die sich in jedem Fall ergaben, aus stumpfer Duldung, dauerndem Streit oder endlicher Scheidung; sie war ihm überall begegnet, kopfschüttelnd, verurteilend, mit erhobenem Kinn. Daß nun ihre eigene, liebevoll und sorgfältig erzogene Tochter nicht dem selbstverständlichen Glück in die Arme gelaufen sein sollte, sondern diesem Elend, war eine überraschende und furchtbare Enttäuschung, sie fand es kaum glaublich, und es machte sie wütend.

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