Читать книгу Lesen. Reportagen онлайн

2 страница из 16

Niklaus Meienberg

Lesen

Ausgewählt und zusammengestellt von Marianne Fehr, Erwin Künzli und Jürg Zimmerli

Limmat Verlag

Zürich

Da taar me nöd

Wer ein Buch oder einen Film veröffentlicht, setzt sich der Kritik aus. Die freut ihn oder ärgert ihn. Wer zu den literarischen Bundesratsparteien gehört, kann in unserm schweizerischen Konkordanzsystem auf wohlwollende oder doch schonende Kritik zählen. Es gibt hier einen Konsens, wonach Max Dürrenmatt Friedrich Frisch Adolf Bichsel Peter Muschg Otto F. Nizon Paul Walter keine langweiligen, schlechten oder ganz schlechten Bücher schreiben können. Die dürfen so etwas einfach nicht. Das Friedensabkommen in der Literaturindustrie schützt die Sozialpartner. Jeder ist auf den andern angewiesen, jeder kann den andern, von einem bestimmten Bekanntheitsgrad an, fördern oder behindern. Da ist einer z.B. nicht nur Schriftsteller, sondern auch Dozent, kann seine eigenen oder verwandten Produkte von einem Kollegen ins Lehrprogramm aufnehmen lassen (Hermann Burger). Er weiss, wie der germanistische Karren läuft, welche Bücher von den Mitgermanisten der Besprechungsindustrie erwartet werden, und kann das Gewünschte liefern. Oder er ist (Hermann Burger) ausserdem noch Feuilletonredaktor und kann Bücher besprechen. Oder er arbeitet (Hermann Burger) noch am Fernsehen und kann dort Kollegen vorstellen. Oder er bedient noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG und DIE WELTWOCHE und weitere allgemeine Zeitungen mit Literaturkritik (Hermann Burger). Ein anderer wiederum ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Verleger und hat glänzende Beziehungen zu allen möglichen Verlagshäusern, nicht nur zum eigenen. Wer ihn hart bespricht, muss damit rechnen, dass sein Buch von dem einflussreichen Mann verhindert oder behindert wird. Und da nicht wenige Kritiker (Burri, Fringeli etc.) auch als Autoren auftreten … Besprichst du mein Buch gut, dann besprech' ich deines gut oder lass es gut besprechen.

Правообладателям