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Bücher sind Produkte, die auf handwerklich-altväterische Weise entstehen, in der Abgeschiedenheit von Schreibstuben, und auf industrielle Art vervielfältigt und vermarktet werden. Ihr Vertrieb ist auf die Zeitungen angewiesen. Ein Verriss in grossen Zeitungen behindert meist die Vermarktung und wird von den Autoren – das kann ich nachempfinden, das hab' ich auch schon so empfunden – als Geschäftsschädigung betrachtet. (Totschweigen oder eine laue Besprechung schadet aber noch mehr als ein Verriss.) Da hat man zwei oder mehr Jahre gearbeitet und wird von einer Hudelkritik, die in zwei, drei Stunden verfasst worden ist, zerfetzt. Das tut weh, tut der Auflage (meist) nicht gut und ist oft ungerecht. Aber es gibt Unterschiede. Ein schlechter Verriss unterstellt dem Schriftsteller einen Stil und Absichten, die er gar nicht hatte: um sie dann in den Boden zu stampfen. Er deformiert das Buch, damit es leichter verhohnepiepelt werden kann. Ein guter Verriss (und manche davon sind selbst Literatur geworden, sind unterdessen literarischer als die Bücher, auf welche sie zielen, vgl. Besprechungen aus der Feder von Voltaire, Lessing, Kraus) stellt das Buch möglichst sachgerecht und umfassend dem Leser vor, misst den Autor an seinem eigenen Anspruch, bevor er das Werk mit einleuchtenden, evtl. glänzenden, das heisst brillanten Argumenten auseinandernimmt. Aber auch solche Verrisse werden, wenn es um die Bücher unserer berühmten, unter Heimatschutz stehenden Autoren geht, als unanschtendig empfunden. Da taar me nöd. Hingegen darf man mündlich alles Wüste über die Kollegen erzählen, hinter ihren Rücken gifteln und schnöden – und dann eine nette, wenn auch etwas laue, Besprechung schreiben. Über BLAUBART von Max Frisch habe ich weitherum die verheerendsten Urteile gehört und nachher die nettesten Besprechungen gelesen, beides von denselben Leuten produziert. Ähnlich war es bei NOCH EIN WUNSCH von Adolf Muschg, da hatte nur Urs Herzog (im KONZEPT) sehr brillant den Konsens gestört, worauf ihm nicht wenige Germanistenkollegen mit Naserümpfen begegneten und mit vornehmer Abscheu.

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