Читать книгу Kindheit in der Schweiz. Erinnerungen онлайн

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Die Texte sind also nicht chronologisch angeordnet, der Reigen beginnt mit Geburt und ersten Erinnerungen, dann gibt der eine dem andern das Stichwort, als sässen die vierunddreissig Menschen zusammen, erzählten sich ihre Geschichten, und eine Erzählung ruft die nächste auf. Für die Leser und Leserinnen entsteht so ein weites Panorama der Kindheit, das sie vielleicht im Kopf mit ihren eigenen Erinnerungen ergänzen werden.

Erwin Künzli

1908, Val d’Anniviers VS

Adeline Favre

Ich wurde an einem 22. Mai geboren. Mama war an jenem Tag ganz allein zu Hause, denn mein Vater war ins Tal hinunter gegangen, um nach den Reben zu sehen. Im Tal unten war ein halber Meter Schnee gefallen, eher ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Wie alle Leute aus dem Val d’Anniviers hatten auch wir in der Gegend von Sierre, in ­Niouc, unsere Reben. Sie waren für uns fast die einzige Quelle für Bargeld, und eine Naturkatastrophe brachte schwe­re finanzielle Folgen für das kommende Jahr. Nun hatte Papa in diesem Jahr vorgearbeitet und die Reben schon frühzeitig aufgebunden. Dies im Hinblick auf meine bevorstehende Geburt: Er wollte zu Hause sein, wenn er benötigt wurde. Als er an diesem 22. Mai den Schnee sah, stieg er sofort ins Tal hinunter, um den Schaden an den Reben festzustellen. Es zeigte sich übrigens, dass er nicht so gross war wie bei den Nachbarn. Papa hatte auch die Kühe hinuntergetrieben, damit sie die abgebrochenen Zweige fressen konnten, die er auf dem Rücken des Maultiers bis nach Niouc gebracht hatte. Hierher trug man auch die dürren Rebenblätter, die man mit Heu mischte und den Kühen zu fressen gab.

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