Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Mit Stolz fügt sie hinzu: «Die Kinder entfalten sich gut zu uns. grössten Freude – natürl. kosten sie, es müssen Opfer gebracht werden.» Elisabeth wird eine Lehre als Damenschneiderin beginnen und später die Kunstschule besuchen, Gertrud nimmt an der Universität Zürich ihr Rechtsstudium in Angriff. Sie tritt dem Schweizer Frauen-Alpenclub bei und fährt im August 1935 abenteuerlustig mit den Anfängerinnen ins Wallis. Was sie hier erlebt, schildert sie ihrem brasilianischen Gönner auf drei Briefseiten, zum Beweis, dass sie seiner Förderung würdig sei.
«Es wurde 9h, bis wir den Einstieg in den Felsen erreichten, dann aber folgte eine 4-stündige Gratkletterei, wie ich vorher noch keine gemacht habe, sehr rassig war sie. Der Westgrat des Besso ist an Schönheit & Schwierigkeit dem Matterhorn ebenbürtig.»
Gertrud Heinzelmann an Paul Zimmermann
Gertrud Heinzelmann am Seil des Bergführers im Val de Zinal, Wallis, 1935.
Im Val de Zinal übt sie Klettergriffe – «an einer Wand hing der Rücken, an der andern die Schuhnägel»29 – und auf dem Weisshorngletscher lernt sie den korrekten Umgang mit dem Eispickel. Das Üben ist ihr schon bald zu wenig: «Ich gesellte mich zu den Kanonen zur Diablon-Traverse.» Der Bergführer schätzt das Können der «Kanone» anders ein und nimmt sie aus Sicherheitsgründen zuvorderst ans Seil, sollte sie auf dem Grat aus Unerfahrenheit eine falsche Bewegung machen oder vor Müdigkeit stolpern. Nach Braslien meldet die «Kanone»: «Obwohl ich weitaus die jüngste war, hatte ich die Ehre am Führerseil zuorderst zu sein.» Es sei eine «sehr schöne Klettertour» geworden. Nach einem Ruhetag und einer Nacht auf «höllisch harten Strohsäcken» wagt sich Gertrud Heinzelmann an ihren ersten Viertausender, den Westgrat von Besso. Während Stunden klettert sie in schwindelnder Höhe einem Grat entlang, sieht in den Abgrund hinunter, darf den Mut nicht verlieren und darf nicht aufgeben, auch wenn sie möchte, sie muss Müdigkeit überwinden, mit schmerzenden Füssen und klammen Fingern fertig werden, alles nicht der Rede wert, jedenfalls gesteht sie ihrem Onkel nichts dergleichen ein. Die Tour gelingt – «rassig war sie». Doch «zu feig» sei die Mannschaft gewesen, um nach dem Abstieg noch am selben Tag ins Tal nach Zinal zu den wartenden Kolleginnen hinunter zu «tippeln». Die Gruppe übernachtet inmitten von Gletschern in der Mountet-Hütte. Am nächsten Tag blicken die Kletterinnen bei strahlend blauem Himmel am Zinalrothorn empor – «der wunderbare Gipfel lockte immer mehr» – und drei Kolleginnen und Gertrud Heinzelmann nehmen sich vor, auch diesen Viertausender zu erklimmen. Auf seinem Gipfel befindet man sich auf Augenhöhe mit den Berühmtesten, dem Matterhorn und der Dufourspitze, und weit, weit unten liegt der Kurort Zermatt. Vor Sonnenaufgang ziehen sie mit zwei Bergführern los, durchqueren den Gletscher, der steil zum vereisten Blanc-Grat hinaufführt. Hier werden sie von einem Wetterumsturz überrascht: «Leider hatte das Wetter sich verschlechtert, auf dem Grat begrüsste uns ein förmlicher Sturm, der einem den Pickel direkt in der Hand schüttelte, wenn man ihn einstecken wollte.» Ein Unwetter mit bissigen Windböen, einschlagenden Blitzen und heftigem Eisregen, der die Felsen im Handumdrehen glitschig und gefährlich macht, alles möglich, aber die «Kanone» schreibt dazu nichts. Die Gruppe kehrt nicht um, kämpft unter Lebensgefahr auf dem Eisgrat weiter, erreicht schliesslich den blanken Granit – «nur schade, dass ausgerechnet jetzt ein Hagelwetter ausbrach» – und klettert, zu allem entschlossen, am Felsen hoch. «Um 9 h war der Gipfel geschafft. Vor Freude über unsere Leistung flogen sich alle förmlich in die ‹Arme›, meine Kameradin & ich erhielten zur Feier des grossen Moments von unserem Führer ein ‹baiser pour le grand courage›.» Der Sturm tobt auch während des Abstiegs, der nicht ohne «Intermezzi» verläuft, wie Gertrud Heinzelmann die Zwischenfälle umschreibt, die glücklicherweise harmlos verlaufen, vielleicht ebenso hätten tödlich enden können. Der Betreiber der Mountet-Hütte, ein erfahrener Alpinist, befürchtet längst Schlimmes und sucht mit dem Fernglas den Grat und die Felsen ab. Dann, am frühen Nachmittag, trifft die Gruppe wohlbehalten «beim Papa Hüttenwart» ein: «Der Alte war fast ausser sich vor Freude, dass wir trotz des schlechten Wetters das Zinalrothorn geschafft hatten.»