Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Als das Abitur näher rückt, und sich Gertrud Heinzelmann für eine Studienrichtung entscheiden muss, nimmt sie auf die finanzielle Situation ihres Vaters Rücksicht und fällt einen Vernunftentscheid:
«Ich habe lange zwischen Jus & Medizin geschwankt, aber das med. Studium geht minimal 13 Semester (Jus 6–8), ist sehr viel teurer als Jus & stellt sehr grosse Anforderungen an die Gesundheit, & nachher sind die Aussichten doch kaum günstiger als für Juristen.»22
Hans Heinzelmanns beruflicher Wechsel hatte sich nicht als ein glücklicher erwiesen. Exporteinbrüche und als neues Phänomen der zunehmend schnellere Wechsel der Kleidermode setzen nicht nur der Strohindustrie, sondern auch dem Faden- und Garnhandel zu. Die goldenen Jahre, in denen zur Damengarderobe Seidenstoffe, Stickereien und Borten gehörten und «Zwicky Nähseide und Nähgarn» in europäischen Metropolen eigene Agenturen und Fabrikationsfilialen eröffnen konnte, sind längst Vergangenheit. Zudem konkurrenziert der Kunstseidenfaden, billiger und zäher als Nähseide, die Fäden aus der Walliseller Zwirnerei. Die Verkaufsresultate, die Hans Heinzelmann auf seinen Reisen erzielt, sind ständigen Schwankungen unterworfen, trotz allem sind sie in seinen ersten Jahren noch zufrieden stellend. Aus Ägypten meldet er im Februar 1924: «Hiermit wieder ein Lebenszeichen. Geschäftlich geht es gut, ebenfalls gesundheitlich.» — Im Juni aus dem niederländischen Nobelbad Scheveningen: «Geschäfte gut, Wetter schlecht, Gesundheit dürfte besser sein, Klimawechsel hat mir zugesetzt.» – Im November aus Kopenhagen: «Bin wohlauf. Geschäft recht.» – Wiederum aus Kopenhagen zwei Jahre später im Juni 1926: «Bin stets wohlauf, mit etwas Rheumatismus zwar, aber glaub’s der Teufel bei diesem Hunde-Wetter. – Geschäftlich ging es in letzter Zeit besser.»23 Dank Umsatzbeteiligung am Auslandgeschäft verdient er überdurchschnittlich, doch dann kommt die Weltwirtschaftskrise, gefolgt von Inflation, Währungsreformen und Einfuhrbeschränkungen. «Wir haben hier wieder elendes Wetter; & die Geschäfte gehen nicht besonders gut», schreibt er im April 1930 aus Schweden und im November aus Finnland: «Bin wohlauf. – Geschäfte dürften besser sein.» Und: «Geschäfte sollten besser sein»,24 meldet er im nächsten Jahr aus Dänemark. In Wallisellen stehen die Zwirnmaschinen still und «Zwicky» muss einen Teil der Belegschaft entlassen. Das Auf und Ab der Verkaufszahlen drückt Bertha aufs Gemüt. Ihre Berichte an Paul zeigen Sorgen und Belastung deutlicher, als dies Hans auf seinen Postkarten an Salesia Rietschi eingesteht. «Er kann sich nicht rühmen übers Geschäft & strengt sich ausserordentl. an, um wenigstens kleine Pöstchen zu ergattern», schreibt Bertha im Frühling 1931, und im Herbst meldet sie erleichtert: «Wir sind zwäg = Vater ist in Kopenhagen. Dadurch, dass die Damenmode länger geworden ist, braucht er gerade das doppelte Quantum wie früher für die Damenconfection & kann dort am Platze ordli arbeiten. Wir haben es so nötig. Wie’s dann weiter nördlich wird, ist fraglich, doch habe ich letzte Woche in der ‹Neue Zürcher Zeitung› gelesen, dass der Streik in Norwegen endlich gebrochen ist.»25 Dann wieder ernüchtert: «Morgen kommt Hans von seiner Holland-Reise zurück, wo er schlecht abgeschnitten hat, es wollte niemand bestellen! Die Leute sind überall so niedergeschlagen!»26