Читать книгу Time Is Now. Popmusik in der Schweiz heute онлайн

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Bezeichnend ist, dass die Sprache dieser neuen Volkskultur global ist. Klar, da sind lokale Dialekte vernehmbar, doch auch sie ruhen jederzeit griffbereit im grossen und ganzen Archiv der Cloud und sind damit nur noch als Tradition lokal, nicht mehr in der handlichen Anwendung per Klick. So hat, mit einigen Ausnahmen, auch der Schweizer Mundartpop aufgehört, über die Schweiz zu erzählen, und dekliniert die gleichen Befindlichkeiten durch, wie sie auch ein Justin Bieber verhandelt. Das ist ein bemerkenswerter Widerspruch: Pop bringt als Volkskultur zwar sehr viele Leute zusammen, aber nicht dadurch, dass er von einem «Wir» erzählt, sondern immer wieder von einem «Ich». Aber dieses «Ich» ist wiederum eingeschrumpft auf den kleinsten globalen Nenner: Es ist nämlich gerade glücklich oder – häufiger – unglücklich verliebt und geht durch melancholische Phasen. Es will aber trotzdem nicht die Welt verändern, sondern sich selbst treu bleiben.

Aber haben das Volkslieder nicht schon immer geleistet, einfach nicht auf globaler, sondern auf lokaler Ebene? Wer sich in einem solchen Global-Ich wiedererkennt, drückt sich mit einem Lied von Justin Bieber oder Rihanna genauso aus, wie es unsere Vorfahren mit einem Volkslied wie «Stets i truure» taten. Und tatsächlich werden ja alle diese Lieder im Augenblick ihres Erscheinens zum Allgemeingut: Die einschlägigen Seiten im Internet bunkern ihre Akkordfolgen und Texte, und auf Youtube gibt es die Tutorials, in denen man lernen kann, wie man sie richtig spielt. Zum Beispiel «Hello», den Welthit von Adele vom Herbst 2015. Es gibt auf Youtube mehrere hundert Versionen des Songs, es gibt ihn auf Spanisch, auf Russisch und auf Suaheli. Es gibt «Hello» als Pianosolo und auf der ukrainischen Laute. Es gibt «Hello» als Reggae, als Metal und als Rap. Es gibt «Hello» in der geschmeidigen Soulversion eines Leroy Sanchez, die von 29 Millionen Menschen angesurft wurde, oder von Jessica Muniz, deren melodramatisch vor einer Holzbrücke eingesungene Version zum guten Glück nur 108 Mal gesehen wurde.

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