Читать книгу Daskind - Brandzauber - Angeklagt. Romantrilogie онлайн

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Das ist mein Fleisch, sagt der Pfarrer mit starker Stimme, und das ist mein Blut, nehmet und esset von meinem Fleisch, trinket von meinem Blut. Sagt auch der Pensionist nachts in der Kammer des Kindes. Hält Daskind in seinen Pranken gefangen. Presst mit dem schweren Leib den Leib des Kindes in die Kissen. Führt den haarigen Schwengel in den Mund des Kindes. Stößt stöhnend zu. Erstickt Daskind am Das­istmeinfleisch. Rächt sich das Lamm. Rasch überschlägt Daskind sein kurzes Leben, bricht ab vor dem letzten Stoß des Stöhnenden, hat beim Überschlagen fast das Atmen vergessen, pumpt das Herz vergiftetes Blut durch den Körper. In wilder Wut. Rast Dasistmeinblut durch die Adern des Kindes. Liegt befriedet der Stier auf dem Kind. Unter den Augen des Lamms an der Wand. Unter den Rosaaugen des Lamms, das lächelt auf den Schultern des Hirten.

In der Sakristei ordnete Jakob Gingg die Soutanen des Pfarrherrn, als Daskind auf Geheiß seines Pflegevaters einen Strauß Rosen vorbeibrachte. Vorbeibringen musste. Während die Stunde bedrohlich mit den Flügeln schlug, hatte sich Daskind, an die Rosen geklammert, wieder einmal durchs Dorf geschlichen, am alten Schulhaus vorbei, ohne einzutreten, dem neuen entlang und am Pfarrhaus, der Michaelskirche zu. Die Rosen waren von der Pflegemutter in eine alte Ausgabe des Bezirksanzeigers gewickelt worden. Trotzdem bohrten sich die Dornen in den Handteller des Kindes. Um den Sigristen für einen Gedankenaustausch über neue Zuchtmöglichkeiten günstig zu stimmen, hatte Kari Kenel die schönsten seiner Stöcke geplündert. Er hatte sich sogar dazu durchgerungen, einige voll erblühte Zweige seiner Moosrosen zu opfern. Das zarte Rosa der Moosrosen ergänzte Kari Kenel mit einigen Hohlsteinrosen, deren blutrote Farbe den Sigristen einst zur Bemerkung veranlasst hatte, dass dieser wunderbaren Blüte der Name Herzblut sehr wohl anstehen würde. Hohlstein erscheine ihm allzu grobtrocken für ein Blümelein – Kari Kenel wunderte sich im Stillen ob der sonderbaren Ausdrucksweise –, dessen leuchtende Farbe das Herz eines jeden Rosenzüchters höherschlagen lasse. Kenel war bereit, dem beizupflichten, obwohl ihm an derart übertrieben poetischen Ergüssen nicht sonderlich gelegen war. Im Gegenteil, gerade die sanftesten Namen seiner Rosen brachten ihn eher in Verlegenheit. Namen wie Marcelle, Caprice, Marie Claire oder Mermaid, eine besonders zarte, blassgelbe Rankrose, ersetzte Kari Kenel kurzerhand durch Initialen und Zahlen. So hieß denn Kenels Marie Claire MC3, die Mermaid dagegen MM2. Auf diese Abkürzungen verzichtete er nur an den weni­gen Ausstellungen, die er mit seinen neuesten Züchtungen besuchte. Dort musste man sich an die Regeln halten, auch wenn einem die fremdartigen, zärtlichen Namen nur schwer über die Lippen kamen. Sie verwirrten Kari, weichten den Panzer auf, der sein Inneres umschloss und es vor der Kälte schützte, der er ohne diesen Panzer nichts entgegenzusetzen gehabt hätte. Die Namen häuteten, entwaffneten ihn, sie machten ihn für Träume empfänglich, die in seinem Leben keinen Platz einnehmen durften, wollte er als einer der andern bestehen.

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