Читать книгу "Alljährlich im Frühjahr schwärmen unsere jungen Mädchen nach England". Die vergessenen Schweizer Emigrantinnen. 11 Porträts онлайн
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Im Sommer ging Annetta jedes Jahr mit ihren Kindern nach Dangio. Sie wohnten in dem Haus mit dem grossen Garten, das ihrer Familie gehört. «Sobald wir im Dorf ankamen, waren die Kinder auch schon verschwunden. Sie wollten alles wiedersehen, die Ställe und die Häuser, und mit den andern Kindern spielen.»
«Ich habe ein gutes Leben gehabt», sagt Annetta. Und fügt hinzu: «You make it yourself» – jeder seines eigenen Glückes Schmied. Annetta ist fest verwurzelt im Bleniotal. Es ist kein Widerspruch, wenn sie sagt: «Heimweh habe ich nie gehabt.» Und: «Ich habe das Glück auch in London gefunden.» Dangio ist irgendwie immer dort, wo Annetta ist.
«My children are good children», sagt Annetta von Linda, Stéphanie und Philip. «Sie schauen gut zu mir. Sie sind so taktvoll und hilfsbereit. Sie machen alles für mich.» Giuseppe, sechs Jahre älter als Annetta, starb bereits 1989, wenige Jahre nach seiner Pensionierung.
Stéphanie und ihr Mann nehmen Annetta jedes Jahr nach Dangio mit. 2016 zögerte Annetta ein wenig. Es ist steil im Bleniotal, und sie ist nicht mehr so gut zu Fuss. Sie ging dann trotzdem. «Wenn man einmal nicht mehr geht, geht man plötzlich gar nicht mehr.» Sie fahren dann jeweils mit dem Auto, Annetta auf dem Rücksitz. Sie lagert die Füsse hoch und schaut zum Fenster hinaus und lässt die Landschaft zwischen London und Dangio an sich vorbeiziehen. Die gleiche Strecke, die ihre Vorfahren aus dem mausarmen Bleniotal machten, wenn sie fortgingen aus dem Tal, nordwärts zogen, auf der Suche nach Arbeit – nur in umgekehrter Richtung.