Читать книгу "Alljährlich im Frühjahr schwärmen unsere jungen Mädchen nach England". Die vergessenen Schweizer Emigrantinnen. 11 Porträts онлайн

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Als Annetta schwanger wurde, freute sich Giuseppes verwitwete Schwester Linda, die selber keine Kinder hatte bekommen können. Immer wieder sagte sie zu Annetta, wie sehr sie sich freue. Ein paar Tage, bevor Annettas Kind zur Welt kam, hatte Linda einen Motorradunfall. Linda hatte den Roller selber gefahren und war sofort tot. Annetta brachte ein Mädchen zur Welt. Sie tauften es Linda.

«Was für Tragödien!», sagt Annetta, wenn sie von diesem Jahr spricht. Aber danach blieb das Unglück aus. Eine gute Ehe, «a very very good man», sei Giuseppe gewesen. Annetta lacht. Und fügt sogleich hinzu: «Eine Beziehung ist immer auch harte Arbeit.» Sie hat sich ganz auf ihre drei Kinder eingelassen, Linda, Stéphanie und Philip. «Ich wollte die Kinder, und ich wollte sie selber aufziehen.» Giuseppe verdiente als Optiker bei der Firma Carl Zeiss genug, um die Familie zu ernähren.

Giuseppe? Es gibt etwas, worüber Giuseppe nie gesprochen hat. Er sprach nie über den Krieg, über die vier oder fünf Jahre als Marinesoldat bei der britischen Navy. Giuseppe erzählte Annetta nur, es habe ihm gefallen: «He loved it.» Und dass er an allen möglichen Orten auf der Welt gewesen sei mit der Navy, in Russland zum Beispiel. Aber sonst erzählte Giuseppe nichts. Annetta hat das oft gehört von anderen Frauen in London, dass ihre Männer, die im Zweiten Weltkrieg an der Front gewesen waren, später nie mehr darüber sprechen wollten. Nur etwas hat Giuseppe dann doch erzählt: Dass das Schiff, auf dem er im Einsatz war, einmal bombardiert wurde. Giusep­pe blieb unverletzt. Aber viele seiner Kollegen, die über Monate hinweg mit ihm auf dem gleichen Schiff gewesen waren, starben.

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