Читать книгу "Alljährlich im Frühjahr schwärmen unsere jungen Mädchen nach England". Die vergessenen Schweizer Emigrantinnen. 11 Porträts онлайн

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In Erinnerung geblieben sind jedoch persönliche Geschichten: Die Erzählungen von Grossmutter Johanna, die in den Dreissigerjahren an der schottischen Küste eine lange Wanderung unternommen und in einem selbst gebastelten Zelt aus Farn übernachtet hatte; die Geschichte von Grosstante Elsa, die in Nordlondon täglich die gleichen Silberlöffel putzen musste. In Erinnerung geblieben ist auch die Bedeutung, die der zweijährige Englandaufenthalt für die Mutter zeitlebens gehabt hatte – sie, die nachher kaum noch weggekommen war aus dem Dorf im Zürcher Oberland. Bilder und Bruchstücke aus den ­Erzählungen von Urgrosstanten, Cousinen, Schwiegermüttern und Grossmüttern sind in der Schweiz präsent. Weil so viele gegangen sind, gibt es kaum eine Familie, in der nicht irgendjemand von einer nahen oder entfernten Verwandten weiss, die als junge Frau auch einmal in England war – und wieder zurückgekommen oder für immer dort geblieben ist.

Schweizerinnen statt Österreicherinnen

Bereits in den Dreissigerjahren sind Hunderte von jungen Schweizerinnen nach England gegangen, manche auch nach ­Irland oder Schottland. Weil sie Englisch lernen wollten oder aus wirtschaftlichen Gründen. Mina Rui-Oppliger, 1919 geboren, erzählt im Porträt «Wir sahen die Schweizer Mobilmachung in London im Kino», wie schwierig es für Hausangestellte in der Schweiz war, Arbeit zu finden: «Niemand hatte Geld, und es gab fast keine Stellen. Und wenn man Arbeit hatte, verdiente man kaum genug, um davon zu leben.» Die 2016 verstorbene Irene Schenker-Odermatt, die ebenfalls in den Dreissiger­jah­ren in England war, schickte ihrer Familie in Engelberg jeweils fünf Pfund nach Hause – ihr jüngerer Bruder erzählte sein Leben lang, wie froh die Familie über diese Unterstützung gewesen sei.

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