Читать книгу Kleine Leute. Reportagen онлайн

8 страница из 17

Herr Alois Siffert, Vater

Alois Siffert raucht dicke Zigarren, fährt Mercedes und packt mich zur Bekräftigung seiner Aussagen immer wieder am Arm. Er könnte aus der Dreigroschenoper stammen, ist aber tatsächlich aus Liebistorf im Sensebezirk gebürtig (einer Landschaft mit vielen schönen Dörfernamen: Lustorf, Wünnewil zum Beispiel). Alois, 1910 geboren, musste auswandern, der Hof produzierte nur genug für eines der fünf Kinder. Als Käser im Luzernischen, Verdienst 25 bis 30 Franken pro Monat. Die Eltern streng konservativ, sparsam, Butter nur an Sonntagen. Als Alois aus dem Luzernischen zurückkam, mit etwas weniger konservativen Ideen, und er vor den Wahlen politisieren wollte, sagten ihm die Eltern: «Lis d’Friburgere (= «Freiburger Nachrichten»), da steht drin, wie du stimmen musst.» Als er heiratete, sagte der Pfarrer: «Man glaubt es kaum, dass du einen protestantischen Meister hattest, bis noch gut katholisch.» Die Frau brachte eine Aussteuer in die Ehe. Der Milchladen ging bankrott, weil die Arbeiter nicht zahlen konnten und monatelang aufschreiben liessen. In Spanien war der Bürgerkrieg, in Freiburg herrschte Staatsrat Piller, in der Unterstadt darbten die Arbeiter und Siffert mit ihnen. Dann der Weltkrieg, Aktivdienst, 1400 Diensttage, im Urlaub eine Vertretung für Henniez-Mineralwasser. Dann der Bub. Seppi war 1936 «struppiert» zur Welt gekommen (Sensler Dialekt, abgeleitet vom französischen estropié = verkrüppelt). Alois hat keine Kosten gescheut, damit der krumme Fuss wieder normal wüchse. Als Seppi 1952 die Karosseriespenglerlehre begann, wechselte auch Alois vom Mineralwasser zu den Unfallwagen über. Er kauft den Versicherungen und Garagen preiswerte Unfallwagen ab (Einzugsgebiet Westschweiz), lässt sie von Seppi ein bisschen ausbeulen und verkauft sie (Absatzgebiet Aargau/Zürich) an Garagisten, manchmal mit einem Reingewinn von 4000 Franken pro Wagen, innerhalb von 48 Stunden. Seppi kann sich ein Motorrad kaufen, fährt sein erstes ausländisches Rennen in Karl-Marx-Stadt, Ostdeutschland. Aus Karl-Marx-Stadt brachte Seppi ein Tafelservice für zwölf Personen zurück. Und so sei es aufwärtsgegangen mit Seppi, immer schneller, in den letzten drei Jahren hätte er mindestens zwei Millionen pro Jahr verdient, ein Herr Maerkli von der Ziegelei Düdingen habe ihn bei seinen Investitionen beraten. Wenn Seppi kein Testament hinterlasse, erbe seine Witwe das ganze Vermögen, etwa acht Millionen.

Правообладателям