Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Als sie mit neunzehn vor der Matura vom Deutschlehrer die Aufgabe erhielt, ein Curriculum Vitae zu verfassen, füllte sie zwei Schulhefte mit Kindheitserinnerungen und dachte darüber nach, wie sie zu der jungen Frau geworden war, die sie war. Die Puppen langweilten mich. Es gefiel mir viel besser, über die Dorfkinder zu herrschen, denn als Pfarrerskind hielten sie mich für etwas Besseres. Dazu war ich von einer wahren Herrschsucht beseelt und jedes, das nicht ­gehorchen wollte, wurde unbarmherzig aus unserm Kreise verbannt.310

Wie Greti mit den Dorfkindern umsprang, so behandelte der Vater sie zu Hause. Später erinnerte sie sich an eine Familienkultur voll Streit und Strafen. Ich fürchtete mich entsetzlich vor Schlägen. Obgleich wir wussten, dass unser Vater den Zank nicht leiden konnte, stritten wir Geschwister oft und hartnäckig.311 Hörte der Vater Geschrei aus dem Kinderzimmer, befahl er den Töchtern, den Stecken zu bringen, der im Korridor auf dem Spiegeltisch lag. Manchmal versuchte Greti, ihn mit Argumenten von der Prügelstrafe abzubringen, in seltenen Fällen gelang ihr das auch. Eines Morgens stritt ich mit meiner Schwester. Erbost versetzte ich ihr einen Hieb. Da rief uns der Vater aus dem Nebenzimmer. In den Hemdchen traten wir an sein Bett und erwarteten voll Angst eine Strafe. Er fragte nach der Ursache des Streits, und ich erzählte ihm alles und fügte hinzu: «Ich konnte nicht ­anders, es zuckte mir in der Hand, und ich musste sie schlagen. Es ist dasselbe, das Du in Dir hast, und von dir erbte ich es.» Wortlos schickte er uns weg.312 Eine Gegenwelt zur strengen Herrschaft des Vaters fand Greti in der Fantasie. Ich lebte in jenen Jahren überhaupt in einer eigenen Geschichten- und Märchenwelt. Wenn meine Mutter mich irgendwohin schickte, ging ich gerne allein, kümmerte mich nie darum, was auf der Strasse vorging, sondern ging träumend und Geschichten aussinnend dahin. Es kam öfters vor, dass ich laut vor mich hinsprach. Ich konnte auch lange Zeit am selben Fleck sitzen und an meinen nie endenwollenden Geschichten weiterspinnen.313

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