Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

81 страница из 125

Gians Vater war zwar so aufgeschlossen, seine Tochter in einen Fahrkurs zu schicken, so dass sie zu den ersten Autolenkern im ganzen Kanton gehörte.293 In Bezug auf Gretis Ambitionen jedoch schien er die Skepsis seiner Frau zu teilen.294

Gians Verwandte und Bekannte wollten die Schwangere sehen. Für Greti waren es oft Höflichkeitsbesuche. Mit Grauen begeg­nete sie Tante Ghita, deren Begrüssungsküsse sie nicht ausstehen konnte. Als sie sich bei der Schwiegermutter beklagte, Gian müsse sich von ihrer Verwandtschaft auch nicht verküssen lassen, antwor­tete die, bei den Männern sei dies halt anders. Diesen Unterschied wollte Greti nicht akzeptieren. Weisst Du, fragte sie Gian rhetorisch, warum man bei einer Frau eher das Recht hat, sein Maul an ihrer Gesichtshaut herumzuschmieren, als bei einem Mann?295

Während in Pontresina der erste Schnee fiel, traf aus São Paulo ein Brief von Gian ein, der beschrieb, wie er sich auf dem Dach in Badehosen in den Sommerregen stellte, um sich abzukühlen.296 Liebe­voll wandte er sich an das Ungeborene im Bauch seiner Ehekameradin. Gell Du liebes Kleines machst es ihr nicht allzu schwer, weisst, sie ist lieb gewesen mit Dir und tapfer. Du wirst einmal viel ­Freude haben an Deiner Mutter, die mit Dir allein übers weite Meer ­gefahren ist und mit Dir zusammen Examen machte. Schläfst Du am Abend schon früh? Kannst Du Mami auch ein wenig streicheln, so tue es am Morgen, wenn sie aufwacht, oder am Tage, wenn sie an Dich denkt, und sage ihr auch, dass ich sie sehr, sehr lieb hätte.297 Greti mochte nicht mehr warten. Sie, die es gewohnt war, ihr Leben zu planen, hielt die Ungewissheit kaum aus. Düstere Gedanken suchten sie heim, Vorahnungen, die sie nur ihrem Tagebuch anvertrauen mochte. «Es» ist unterdessen sehr gross geworden und wird nun bald, bald von mir weggehen.

Правообладателям