Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн
78 страница из 125
Greti wusste wohl, wie unerhört ihre Ideen waren. Nachts im Traum holten ihre Ängste sie ein. Ich hatte eine Mathematikklausur, lag aber auf einem Bett, in einem anderen lagen285 der Professor und ein paar Schüler, wir waren alle angekleidet. Ich hatte Mühe, mit der Arbeit zurechtzukommen: ein Kind kletterte zu mir ins Bett, ich warf es hinaus, es kletterte noch einmal herein, und ich warf es wieder hinaus. Dann erwachte ich und erschrak: was war dies anderes als der Konflikt zwischen meiner Arbeit und «ihm». Dass ich aber so unbereit für «es» sei, hatte ich nicht gedacht.286
Ihre Freundin Verena konnte Gretis Zwiespalt gut nachfühlen. Ja, ja, mein Liebes, ich muss auch immer und immer wieder denken, ob es nicht Hybris ist, was wir uns da zumuten, ob wir es eigentlich eben doch nicht können. Aber: Das Wort ward Fleisch. Was nützt uns denn unser Glaube, wenn ein Leben von Gott her nur denen möglich ist, die sich doch mehr oder weniger gründlich vom Leben mit seinen Ansprüchen gerettet haben? Nein, im Leben und in unserem Beruf und in der Ehe stehend müssen wir verkünden, müssen gerade von den Dingen reden, über die man sonst gewöhnlich schweigt und die für gewöhnlich mit so viel Lügen umgeben sind, eben weil die, die von ihnen reden könnten, ihnen zu ferne stehen und daher auch schweigen: den Beziehungen zu den andern Menschen!287