Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

93 страница из 125

Dass Schülerinnen am Gymnasium nicht vorgesehen waren, zeigte sich schon an der Kleidung auf Klassenfotos: Die Jungen trugen Schuluniform, die wenigen Mädchen Alltagskleidung, ­Röcke und Blusen.335 Neben Greti gab es nur eine weitere Schülerin in ihrer Klasse, die jedoch von der Pfarrerstochter nichts wissen wollte.336 In Hildi Hügli, einer Schülerin, die eine Klasse über ihr sass, fand Greti die langersehnte Freundin. Manche Leseeindrücke, die die Freundin ihr vermittelte, hielt Greti in ihrem Tagebuch unter dem Titel Sentenzen von Hildi fest.

Man kann Nietzsche überall bewundern, nur nicht, wenn er von Frauen spricht. Er kannte offenbar nur solche, die noch keine waren, oder solche die keine mehr waren.

Nietzsche proklamiert zwar – Übermenschen – aber wie sollte er von einem «Unterweib» geboren werden können?337

Die beiden Freundinnen schrieben sich auch Briefe, in denen sie einander erzählten, was sie erlebten und wie sie sich nachein­ander sehnten.338 Kurz vor der Matur schwärmte Greti: Sie gab mir eigentlich erst das geistige Leben, wenigstens das kritische Denken. Ohne sie wäre ich ein einseitig unglückliches Wesen geworden.339 Hildi ermutigte die Freundin, selbstbewusster zu sein, denn Greti war schüchtern und fand ihren Mund zu schmal, die Augen zu klein, die Nase zu gross.340 Hildi hat mir drei Gebote gestellt: Ich solle mich so kämmen, dass meine schönen Haare zur Geltung kommen. Zweitens müsse ich tanzen lernen und drittens in Gesellschaften meine Scheu ­ablegen.341 Dem Deutschlehrer in der Maturklasse fiel Gretis Schüchternheit ebenfalls auf. Nach einem Vortrag, den sie unter Zittern gehalten hatte, empfahl er ihr: Wählen Sie ja nie einen Beruf, da Sie ein einziges Wort öffentlich sagen müssen.342

Правообладателям