Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Die Verliebtheiten unter jungen Frauen bezeichnete Greti im Tagebuch spöttisch als Flammenkrankheit.357 Die Beziehungen zu Jungen und die zu Mädchen beschrieb sie in ähnlichen Worten, sie sprach von Freundschaft, Verliebtheit und Liebe, von Küssen und Tränen, von wilder Sehnsucht und Eifersucht. Immer gab es ein Gebot der Exklusivität: So wie es undenkbar war, mit zwei Jungen gleichzeitig zu gehen, so konnte ein Mädchen auch nicht zwei Freundinnen zugleich haben. Trat eine zweite auf den Plan, versicherte sich das ursprüngliche Freundinnenpaar gegenseitig ihrer Bedeutung füreinander. Kannst Du Dich noch erinnern, dass ich zu Dir sagte: Wenn ich erfahren würde, dass ich Dich noch mit einem andern Mädchen teilen müsste, würde ich es nicht ertragen können?,358 wollte Greti von Hildi wissen. Trotz Verwandtschaft in der Wortwahl störte die Freundschaft zu einem Jungen diejenige zu einem Mädchen jedoch nicht. Beide konnten nebeneinander ­bestehen.

In der spärlichen Freizeit im Mädchenpensionat widmete sich Greti lieber ihren Büchern anstatt einer Liebschaft. Mich hat die grosse Lernwut ergriffen. (…) Jeden Tag müssen zwanzig Seiten Rousseau ge­lesen werden.359 Kein Wunder, galt sie zunächst als richtige, brave Pfarrerstochter.360 Doch seit sie bei einem Abendessen alle zum Lachen gebracht hatte, wurde sie scherzhaft nur noch die missratene Pfarrerstochter genannt. Und schliesslich fand auch Greti eine Flamme im Mädchenpensionat. Wer hätte das geglaubt! Ich glaube ganz sicher, die Flammenkrankheit ist ansteckend. Ich habe nämlich eine Flamme für Trudy Gassmann.361 Ich liebe sie, weil sie so schneidig und stark ist.362 Auch Trudy fand Gefallen an Greti. Sie liebt alle Bündner. (…) Und als sie heute Abend den letzten Tanz mit mir tanzte, sagte sie, sie liebe mich, weil ich so offen sei.363 Doch Gretis Flamme überdauerte die Sommerferien nicht. Die Flammenkrankheit war ein Fieber, das im Internat besonders schnell entflammte, zum Ende der Pensionatszeit aber ebenso rasch wieder erlosch. Gretis wahre Liebe galt Hildi, der Schulfreundin aus Chur.

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