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Fabriken mit ihrem Innenleben gibt es nicht bei Inglin, obwohl Zürich damals längst eine Industriestadt war. Warenhäuser sind nicht vorhanden (Jelmoli florierte seit langem). Von Banken liest man nichts – die Kreditanstalt stand unübersehbar am Paradeplatz. Und die herrschaftlichen Residenzen mit ihren schönbaumigen Riesenwunderpärken, den Stallungen und der Dienerschaft, den glänzenden Empfängen und exquisiten Banketten und den hervorragenden Intrigen sind einfach ausgeblendet.

Und weil es diese prächtige Grossbürgerwelt bei Inglin so wenig gibt wie die Industriemisere, glaubt Inglins Leserschaft bis heute, es habe sie auch in der Wirklichkeit nicht gegeben. Denn Inglin ist ja, laut «Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart», Ausgabe von 1974, «eine fast monumentale Darstellung der Schweiz im Ersten Weltkrieg aus der Sicht eines überlegenen Erzählers gelungen, der als Sachwalter des Ganzen in Sicht und Stil dem klassischen Geschichtsschreiber gleicht». Klassisch …

Wie dieser Inglin-Mythos entstehen konnte, ist rätselhaft (der Mythos von Inglins Panoramablick). Und dass ein gescheiter Kollege wie Martin Schaub allen Ernstes in einer grossen Zeitung behaupten kann, der «Schweizerspiegel» sei mit Tolstois «Krieg und Frieden» zu vergleichen, also mit dem gewaltigen, realistischen Epos des napoleonischen Krieges in Russland, ist noch rätselhafter. Denn seit 1976 gibt es eine detaillierte, kenntnisreiche Inglin-Biographie von Beatrice von Matt, in der man – die Autorin ist übrigens ihrem Dichter sehr gewogen – lesen kann:

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