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Also, wie hätte er die Abdankung gern gehabt? Vielleicht kommt er gern nochmal zu Wort? Es gibt da einen unveröffentlichten Text von ihm, der handelt von der Macht. Also z.B. von einem befreundeten Bundesrat, der ihn zum Botschafter in Madrid machen wollte und der dann aus seltsamen Gründen jeden Kontakt mit ihm abgebrochen hat. (Es ist nicht Bundesrat Ogi.) Auch der ehemalige Arbeitsplatz kommt vor, zutreffender hat wohl niemand über die Entwicklung des «Tages-Anzeigers» in den letzten zwanzig Jahren geschrieben. Und da ihm diese Zeitung am Herzen lag, er dieses Segment der Gesellschaft am besten kannte, darf man evtl. ein paar unsentimentale Passagen zitieren:

«In den 70er Jahren leitete die Redaktion des ‹Tages-Anzeigers›, in der ich zunächst stellvertretender Chefredaktor und dann Mitglied der Chefredaktion war, mit der Genehmigung der Geschäftsleitung einen Demokratisierungsprozess ein. Die Geschäftsleitung war damals in den Händen von Dr. Otto Coninx, dem Chef der Familie dieses Namens. Ich vergleiche ihn gern mit dem französischen König Ludwig XVI.: ein wenig liberal, ein wenig absolutistisch. Seine liberale Seite erlaubte es der Redaktion, ein fortschrittliches, wenn auch begrenztes Mitbestimmungsmodell zu erarbeiten und in einem Redaktionsstatut festzuschreiben. Um beim Vergleich mit der französischen Geschichte zu bleiben: Es war die revolutionäre Ära der Konstituante und der Legislative. Die absolutistische Seite des Dr. Coninx offenbarte sich aber im statutwidrigen Schreibverbot für den Journalisten N.M. Die Redaktion reagierte nicht gerade mit einer Revolution, es gab auch keine Diktatur der Kommune wie im revolutionären Frankreich. Dr. Coninx wurde nicht enthauptet, aber er nahm bald einmal seinen Rücktritt und überliess die Regierung einer zuerst fünf-, dann vierköpfigen Geschäftsleitung. Diesen Vorgang kann man mit dem Revolutionsstopp des 9. Thermidor in Frankreich vergleichen, der die Bildung eines fünfköpfigen Direktoriums und vier Jahre später eines Konsulats mit beinah diktatorialer Machtfülle zur Folge hatte.

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