Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Weihnacht 1952

Dieses Jahr feierst du Weihnachten, dieses traute und schöne Fest des Christkindleins fern Deiner lieben Eltern und Ange­hörigen. Doch in Gedanken bist du sicher auch bei deinen Lieben zu Hause, so wie deine liebe Mutter und dein lieber Vater im Geiste das liebliche Weihnachtsfest bei Dir und mit Dir feiern. Aber auch das liebe Christkind hat Dich nicht vergessen. Ganz im Gegenteil. Es weilt unsichtbar unter Euch und nimmt sich ganz besonders der kleinen kranken Kinder an.

Dass das neue Jahr Dir die völlige Genesung und die ersehnte Heimkehr zu den lieben Angehörigen bringen möge, das wünscht dir von Herzen Namens des Sektionsvorstandes:

Der Präsident

Das lange Warten

Das neue Jahr brachte noch keine Genesung. Ich wartete und wartete, bis der Bruder endlich nach Hause komme, aber die ersehnte Heimkehr zögerte sich hinaus. Ich war im Kindergartenalter, doch die Mutter hatte mich nicht für den Kindergarten angemeldet. Sie dachte, dass sie mich zu Hause als Kindermädchen für den kleinen Bruder brauchen würde, wenn er wieder nach Hause käme. Nun war er nicht da und ich allein zu Hause, denn meine beiden älteren Schwestern verbrachten ihre Zeit in der Schule oder mit Lernen. Maria war auch nicht mehr bei uns. Da unser Bruder nicht zu Hause war, gab es nicht mehr so viel Arbeit und sein Spitalaufenthalt war teuer, sodass meine Eltern Maria den Lohn nicht mehr bezahlen konnten. Sie fand eine neue Anstellung in einer Bäckerei der Hauptstadt. Ich vermisste Maria sehr, ihre anrührenden Geschichten und ihre traurig schönen Lieder. So versuchte ich, mir die Zeit zu vertreiben, indem ich mir selbst Geschichten ausdachte. Auch zeichnete ich auf jedes Blatt Papier, das mir gerade in die Hände kam. Oft waren es kleine Kinder, welche krank im Bettchen lagen, umschwirrt von kleinen Engelchen. Oben in der rechten Ecke war meist ein kleiner Teufel zu entdecken, welcher mit Weihwasser verjagt wurde. Einmal bemalte ich ein ganz wichtiges Dokument, welches mein Vater tage­lang suchte. Ich weiss nicht, wo ich es ergattert hatte, aber seine Worte, dass er deswegen ins Gefängnis hätte kommen können, verfolgten mich lange. – Ich wäre schuld daran gewesen!

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