Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн

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Die erste Schule, die ich besuchte, war die Slowak-Schule. Die meisten Schüler waren keine Juden. Auch im Gymnasium waren wir nur zwei Juden in der ganzen Klasse. Die Volksschule hiess nach einem der slowakischen Helden, Milan Rastislav Štefánik, und das Gymnasium nach dem beliebtesten Präsidenten, Tomáš Garrigue Masaryk, nach dem viele Plätze und Strassen in Israel benannt sind.

Als ich vierzehn war, wurden wir alle, alle jüdischen Schüler, aus der Schule verwiesen. Meine Eltern wollten nicht, dass ich untätig zu Hause sass, und schickten mich zu einem Zimmermann in die Lehre. Ich verbrachte dort ungefähr zwei Jahre. Bratislava war schon unter faschistischer Herrschaft, und unsere Beziehungen mit der nichtjüdischen Bevölkerung begannen darunter zu leiden; zweifellos waren Antisemiten unter unseren – angeblichen – Freunden. Ich schloss mich der zionistischen Jugendbewegung an und wurde Mitglied beim Haschomer Hazair.

Als sich die Verfolgungen und verschiedenen Verbote für Juden verschärften – wie zum Beispiel das Verbot, nach bestimmten Uhrzeiten auf die Strasse zu gehen, und der Zwang, einen gelben Stern zu tragen –, begriffen meine Eltern, dass wir uns in unmittelbarer Gefahr befanden. Mein Vater erhielt staatlichen Schutz als von der Regierung benötigter «lebenswichtiger Arbeiter». Auch meiner Mutter wurde Schutz gewährt. Die Gefahr bestand für meine Schwester und mich. Das war 1942, als die ersten Deportationen anfingen. Sie holten Frauen aus Bratislava im Alter zwischen achtzehn und dreissig ab und brachten sie nach Polen, wo sie spurlos verschwanden. Als ein nichtjüdischer Bekannter von den Razzien hörte, bot er uns seine Hilfe an und versteckte meine Schwester in einem Dorf bei seinen Eltern. Bei einer grossen Versammlung der zionistischen Bewegungen beschloss die Führung, dass jeder, der Ungarisch sprach oder familiäre Beziehungen in Ungarn hatte, von Bratislava nach Ungarn fliehen sollte. Ich hatte Grosseltern und einen Onkel, die in Ungarn wohnten. Ein Freund von mir, der mit der kommunistischen Jugendbewegung verbunden war, kannte die Grenze. Er hatte sie in der Vergangenheit etliche Male überquert und schlug vor, dass ich ihn begleitete und wir zusammen hinübergehen würden. Ich war damals fast fünfzehn. Meine Eltern sahen ein, dass sie keine andere Wahl hatten, als unseren Plan zu akzeptieren. Sie, sowie mein zweiter Onkel, zogen es vor, in Bratislava zu bleiben; sie vertrauten den Slowaken mehr als den Ungarn. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das ein fataler Irrtum war.

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