Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн

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Wir trafen spät in der Nacht ein, lädiert und mit geschwollenen Gesichtern. Nun hatten wir ein weiteres Problem: Wie sollten wir ins Haus, in die Wohnung hineinkommen? Das Gebäude – mehrstöckig mit vielen Bewohnern – war abgesperrt, und es war bekannt, dass der Hauswart ein deutscher Faschist war. Wie also hineinkommen? Über unserer Wohnung, im oberen Stockwerk, wohnte seit Kurzem eine Familie, von der ich wusste, dass sie nicht so extrem war. Ich warf einen Stein an ihr Fenster. Sie kamen ans Fenster und fragten zornig: «Wer wirft hier Steine?» Ich sagte leise: «Ich bin’s, Paulko.» Die Frau, die keine Jüdin war, kam herunter und machte mir die Tür auf, und so kam ich in mein Elternhaus hinein [auf der Rückseite des Gebäudes]. Bis heute habe ich ein Foto, das viele Tage nach diesem Vorfall mit den Schlägen aufgenommen wurde, das uns beide immer noch mit Schwellungen zeigt. Meine Eltern riefen einen jüdischen Arzt, der unsere Verletzungen behandelte, und wir erholten uns wieder.

Einige Monate später überquerte ich die Grenze ein weiteres Mal, diesmal jedoch mit einem professionellen jüdischen Fluchthelfer. Es war zu Anfang des Winters 1942. Ich erinnere mich noch an den Schnee, durch den wir stapften. Nachdem wir die Grenze erfolgreich passiert hatten, verlangten die Ungarn im Zug unsere Papiere zu sehen. Ich hatte keine Papiere. Alle übrigen geflüchteten Juden hatten sich im Zug zerstreut. Nur ich und mein Fluchthelfer wurden gefasst und nach Budapest gebracht. Wieder steckten sie mich ins Gefängnis. Es war ein berüchtigtes Gefängnis, in dem furchtbare Bedingungen herrschten. Als wir im Gefängnis ankamen, brachten sie uns in eine grosse Halle mit vielen Verbrechern, wenige davon Juden. Ein jüdischer Gefangener, ein Invalide mit Krücken, kam zu mir und fing mit mir zu reden an. Er fragte, ob ich einer zionistischen Jugendbewegung angehörte, und ich sagte ihm, dass ich beim Haschomer Hazair war. In dem Moment trennte man uns, doch nicht, ehe er mir seine Visitenkarte gegeben hatte. Er war einer von der zionistischen Führungsriege in Budapest. Sein Name war Dr. Béla Dénes. Da er wusste, dass ich Zimmermannlehrling war, waren seine Abschiedsworte: «Wenn du entlassen wirst, geh zur Möbelfabrik Kürtös. Sag ihnen, dass ich dich geschickt habe, und ich hoffe, sie können dir helfen.»

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