Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Da ich auf eine Bürgschaft meines Onkels hin entlassen worden war, musste ich einmal im Monat bei der «Fremdenpolizei» erscheinen. Zu meinem Pech erkannte mich einmal, als ich auf der Strasse auf dem Weg dorthin war, einer der Geheimpolizisten vom vorherigen Internierungslager, und er befahl mir, ihn zu begleiten. Kurze Zeit danach wurde ich auf die Insel Csepel bei Budapest gebracht, wo wir in einem Zwangsarbeitslager bei einem grossen Schmelzofen unter dem Befehl der SS arbeiteten. Die Deutschen übergaben uns den Ungarn, und da gelang es mir, zu fliehen und zu meinen Verwandten [in Budapest] zurückzukehren. Dann kam der Wendepunkt. Die Faschisten gingen von Haus zu Haus auf der Jagd nach Juden, und so wurden mein Onkel und ich gefasst und an die russische Front geschickt, um Gräben gegen Panzer auszuheben.
Während des grossen Rückzugs, auf meinem Weg zurück nach Budapest, zwangen sie mich, den Todesmarsch in Richtung Österreich mitzumachen. Alle gefangenen Juden aus Budapest waren dabei. In der Nacht hielten wir bei einer Ziegelfabrik an. Mein Onkel hatte schon davor von jemandem einen Schutzpass der schweizerischen Gesandtschaft beschafft, der zu meinem Alter passte. Sie trennten uns – die ohne Zertifikat, wie mein Onkel, marschierten weiter. Dem Rest wurde gesagt, vor Ort zu warten. Am nächsten Tag, gegen Morgen, versammelten sie uns und verlangten, unsere Dokumente zu sehen. Der Offizier, der an mir vorbeiging, nahm meine Papiere und die einiger anderer an sich und sagte, ohne sie zu kontrollieren, sie seien gefälscht, und zerriss sie in Fetzen. Und wieder wurde uns befohlen, den Marsch mitzumachen. Hier möchte ich näher auf meine Flucht eingehen, denn sie war von Bedeutung. Als wir an eine Strassenkurve kamen, liess man uns eine Pause machen, um unsere Bedürfnisse zu verrichten. Ich ging hinter einen Busch in einem riesigen gepflügten Feld. Überall waren Posten mit Maschinengewehren. Es hatte keinen Sinn zu fliehen, denn die Strasse war voller Trupps von Marschierenden in Begleitung von deutschen und ungarischen Patrouillen. Ich überholte einen Trupp, und als ich an dessen Ende kam, ging ich hinauf in Richtung Strasse. Der ungarische Soldat am Ende des Trupps sah mich und fragte, wohin ich gehe. Ich antwortete: «Nach Budapest.» Er fragte: «Gehörst du nicht hier dazu?» Ich sagte: «Nein.»