Читать книгу Am Äquator. Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete онлайн
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Dass der Planet aus allen Nähten platzt, oben vor Überfluss, unten vor Mangel, Manko, Marasmus, haben wir als globale Norm abgehakt. Nicht einmal eine Folterstatistik kann uns noch aus der Fassung bringen; lesen wir von den Greueln, die die Unverhältnismässigkeit der Welt unterwegs anrichtet, im Verlauf der unaufhörlich flutenden, nicht abreissenden Migrationsströme von Süden nach Norden, sind wir einen Moment lang empört, um uns dann erneut dem Kreuzworträtsel oder dem Sudoku zuzuwenden. Von Ethik reden nur noch die einschlägigen Kommissionen, während die Pfarrer ihre bleichen Hände zum Gebet über der gewölbten Soutane falten, wo sich so manches verbirgt – das Fehlbare des Menschen, das Menschliche eben.
Wir sind unsere eigene Nabelschau geworden, die sogenannte Selbstoptimierung ist schon fast Pflicht, die Fitnesswerbung und Gesundheitsindustrie verrichten das ihre, während die Chirurgie den letzten Eingriff plant. Und alle drei tun sich unermüdlich an uns gütlich.
Neuerdings sagt die neurophysiologische Forschung: Unsere Gürtellinie liegt näher bei Grosshirn, Cortex und Hippocampus, als uns lieb ist, sie ist meistens der Entscheidungsträger, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Nicht nur bäuchlings, als robbender Säugling, sondern auch im aufrechten Gang sind wir – das ist wissenschaftlich mittlerweile erwiesen – dem Bauch mehr verpflichtet, als wir bisher angenommen haben; die ratio schmiegt sich dicht an die emotio, wenn sie entscheidet. Im Bauch spielt sich unser Wünschen, Wagen und Zagen ab und fügt, je älter wir werden, zum Wollen das Wägen hinzu. Den Befehl erhält er zwar aus dem limbischen System in der hinteren Schädelschlucht, die Affekthandlung aber übt er selber aus. Was wäre daraus zu schliessen?