Читать книгу Am Äquator. Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete онлайн

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Mein Bauch gehört mir: Das scheint ein stichhaltiges Argument zu sein, der Slogan, der die Abtreibungskampagne der Siebzigerjahre antrieb, hat sich längst selbständig gemacht. Man kann diese Optik für obszön halten, man kann Argumente dagegen auffahren, wenn alle vier Minuten ein Kind auf dieser Welt an Hunger stirbt. Darauf lässt sich in verschiedenster Weise ant worten. Jede Antwort hat ihre Berechtigung. Sie ist dann immer eine Geschichte für sich.

Sieben Erzählungen führen unsern Bauch aus, diese empfindsame, unergründliche Gegend. Von Norden nach Süden, mit einem Abstecher nach Westen, und man wird feststellen, dass dieser Bauch, je näher er dem geografischen Äquator kommt, und besonders, wenn er ihn überschritten hat, aufgeregt, fast ekstatisch nach Bedeutung heischt. Denn das sei Weltgeschichte, was dort unten abgeht. Will er sich wichtig machen? Mal sehen, wie er sich liest, wenn er in die Sätze kommt.

HEFTIGE WINDE

Er und ich – eine alte Geschichte, aber wer hätte die nicht? Auf gut Deutsch hat jede und jeder eine, sagte man mir, und eine wie ich sowieso. Dabei hatten wir für eine Geschichte gar keine Zeit, da wir in einem drastischen Migrationsschub aus Nowosibirsk in den lauwarmen Westen gespült worden waren, hier kamen wir mit klammen Fingern erst recht auf die Welt. Wohnungssuche und so, das hat gedauert, seither leben wir unzertrennlich im Grünen. Da ist pure Gegenwart, durch nichts bewegt ausser dem Staubsauger der Nachbarn. Das, was wir leben, sitzt tief: eine fatale Symbiose, die nur der Tod scheiden kann. Das letzte Pfand der Ostkirche, das uns bleibt, ausgenommen die kleine Ikone, die über meinem Nachttischchen hängt.

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