Читать книгу Am Äquator. Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete онлайн

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Eine schlaflose Nacht. Das Ticken des Weckers hat ihn ins Bad getrieben, präzis um drei Uhr siebzehn hat er zwei Pillen eingeworfen, der Ausdruck stammt aus der Zeit, da der Joint und LSD angesagt waren. (Er ist nicht von gestern, wie die Museumskollegen annehmen.) Er geht auf Zehenspitzen, um die Frau nicht zu wecken. Das Päckchen steckt noch im Badzimmerschrank, wahrscheinlich längst abgelaufen, die Filmtabletten kaum gebraucht, doch der Tranquilizer, den ihm die Therapeutin einst zugesteckt hat, wirkt sofort.

In der Frühe hat er keinen Hangover, was ihn überrascht. Ein frischer Morgen, ohne Kopfschmerzen, wider Erwarten. Das Kunsthaus liegt wie neu vor ihm. Und zum ersten Mal wirft er einen Blick auf das restaurierte Höllentor von Rodin. Nicht dieses Thema jetzt, er geht stracks durch das Foyer, wo noch niemand ist ausser der Cafétière, die mit dem Lappen hantiert. Er nickt ihr zu. Sie scheint überrascht zu sein von seiner unerwarteten Freundlichkeit, die sie erwidert. Rasch nach hinten, die Treppe hoch, durch die neu eingerichtete Sammlung, zu viel Cy Twombly, findet er, arrangiert wie auf einem Altar, der ebenso gut von Beuys sein könnte, Beuys war in diesem Haus zu lange der Fürst. Der Restaurator mischt sich nicht ein, obschon, als der Neue kam, seine Meinung gefragt war. Er gilt als rettungslos rückständig. Das ist ihm recht, mit Vorurteilen kann er besser operieren, sie sind ein Schonbezirk für ihn, anders, als der gefühlige Dunstkreis falscher Sympathien es wäre. Er liebt bestimmte Maler, das heisst ihre Gemälde, sie stammen aus allen Epochen der Kunstgeschichte, von der Frührenaissance bis zu den Zeitgenossen. Rauschenberg, de Kooning, Rothko, bitte mehr davon. Das Getue um die aktuellen Diven berührt ihn nicht. Es gibt viel mehr Künstler als Kunst. Viel zu viele, die Kunst bloss mimen, bestenfalls repräsentieren, das ist die nackte Bilanz aus den letzten zwanzig Jahren Kunstbetrieb, auch in diesem Haus.

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