Читать книгу Im Fallen lernt die Feder fliegen. Roman онлайн

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«Du bist hier, weil du Hilfe brauchst, die ich dir gerne anbieten möchte.»

Sein erster Satz erinnerte mich an eine Geschichte, die ich zuvor im Asylheim gelesen hatte. Darin begann ein Psychiater das Gespräch mit der Protagonistin im­­mer damit, wie sie auf ihn wirkte. «Du siehst besorgt aus», «du hast nicht gut geschlafen» und so weiter. Sie hatte immer genickt, um ihm zu bestätigen, was er über sie dachte. Ich tat dasselbe, obwohl ich in dem Moment eigentlich nur noch wegwollte. Der Psychiater begann, sich auf meine Hände zu konzentrieren und vorsichtige Blicke zu werfen. «Vielleicht möchtest du mir etwas erzählen. Egal was», sagte er.

Ich war hilflos, verzweifelt und schwach. Ich zuckte mit den Schultern und schwieg.

«Dann nenn mir etwas, was du besonders magst. Oder etwas, was es wert wäre, gehört zu werden.»

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: «Du bist frei, du musst natürlich nicht.»

Ich wünschte mich nur weg von diesem glänzenden Ort.

Während zwei Monaten war ich einmal wöchentlich bei ihm in Therapie, danach immer unregelmäßiger. Er redete viel mit mir, um mich zum Sprechen zu bringen, und einmal flüsterte er mir leise ins Ohr: «Schreibe, wenn du nicht reden kannst. Oder zeichne auf, was dir Kummer macht. Schreiben ist kein Ersatz, aber es wird dir helfen.» Er gab mir ein Papier mit Fragen, die ich zur nächsten Sitzung beantworten sollte. Ich tat es nicht. Ich kaufte mir in Frauenfeld ein blaues Heft und begann, für mich zu schreiben, ohne den Zwang, das Geschriebene jemandem zeigen zu müssen.

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