Читать книгу Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet. Der letzte Hexenprozess und die Entdämonisierung der Frau онлайн

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Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Landsgemeindeort legte Wert auf eine eigenständige und unabhängige Rechtssetzung. Er anerkannte nur die klassischen, weltlich fassba­ren Straftatbestände wie Mord, Totschlag, Diebstahl oder Betrug, Unzucht und so weiter. Magische Delikte wie Hexerei oder Zauberei gehörten nicht dazu und spielten deshalb als Strafgrund in der glarnerischen Gerichtspraxis keine Rolle.

Zudem verfügte das Land Glarus seit dem Spätmittelalter über ein erstaunlich gut entwickeltes Strafprozesssystem. Schon die Landessatzungen von 1387 enthielten zum Beispiel Bestimmungen zum Recht von Angeklagten, sich von einem Verteidiger vertreten zu lassen. Die Bürger achteten darauf, dass ihre Rechte vor Gericht gewahrt wurden, und erliessen schon früh strafprozessuale Regelungen – zum Schutz vor staatlicher Willkür, wie sie gerade bei Hexenprozessen üblich war.

Es gibt eine weitere mögliche Erklärung für die Zurückhaltung gegenüber der Hexenverfolgung: Das Glarnerland war konfessionell in einen reformierten und einen katho­lischen Landesteil gespalten. Doch im Gegensatz etwa zu ­Ap­penzell wurde eine gemeinsame Behördenorganisation aufrechterhalten. Es gab katholische, reformierte aber auch gemeine Landsgemeinden; ebenso katholische, reformierte, und gemeine Gerichte. Deshalb waren beide Landesteile selbst in Zeiten religiösen Hasses gezwungen, gemeinsame Lösungen zu suchen. Dieses Zusammenwirken der beiden Landesteile verhinderte eventuell, dass sich der Hexenwahn sowohl auf katholischer wie auch protestantischer Seite entfalten konnte.

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