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Abb. 6: Erst sehen wir H, dann S.

Eine ebenso interessante wie umstrittene Theorie über die Funktionsweise des Gehirns besagt, dass es eine Form der Bayes’schen Inferenz verwendet. Das Bayes’sche Theo[34]rem wurde erstmals 1763 der Öffentlichkeit präsentiert, blieb dann aber für mehr als ein Jahrhundert unbeachtet. Es ermöglicht uns, den Wert eines neuen Stücks Information im Kontext der aktuellen Erwartungen oder Überzeugungen genau zu messen, und liefert eine rechnerische Grundlage für die Annahme, dass sinnliche Wahrnehmung ein Produkt jener Schlussfolgerungen ist, die wir ziehen, wenn wir sensorische Information mit vorhergehendem Wissen kombinieren (in diesem Falle also vorheriges Wissen über Jane ergänzt um Wissen über subtile Zeichen des Alterns).

Dieses Modell geht davon aus, dass das, was wir wahrnehmen, davon abhängt, was wir bereits wissen. Drei Quellen des Wissens könnten hier gemeinsam oder jeweils getrennt beteiligt sein: Lernen (von Kindheit an lernen wir schnell); Wissen, das durch Millionen von Jahren der Evolution biologisch in das Gehirn »eingeschrieben« wurde und daher möglicherweise angeboren ist; sowie eine angeborene Veranlagung dazu, über bestimmte Dinge etwas zu lernen. Wenige Tage alte Babys bevorzugen es, Gesichter anstelle anderer, ähnlich komplexer Reize anzuschauen. Ein bestimmter Teil des Gehirns (die Fusiform Face Area) scheint dazu vorprogrammiert zu sein, Wahrnehmungen von Gesichtern zu verarbeiten. Gesetzt den Fall, dass wir erwarten, ein Gesicht zu sehen, es aber noch nicht in unserem Blickfeld aufgetaucht ist, kann in diesem Teil des Gehirns neuronale Aktivität nachgewiesen werden. Dasselbe geschieht auch dann, wenn wir uns nur vorstellen, ein Gesicht zu sehen. Es könnten dann alle drei Vorgänge beteiligt sein. Sehen Sie sich nun das Bild der zwei Dominosteine in Abb. 7 an. Sie werden fünf konvexe Stellen sowie eine konkave im obersten Stein sehen, während im untersten Stein [35]nur zwei konvexe Stellen zu beobachten sind. Drehen Sie aber die Seite kopfüber, und die konvexen Stellen werden sich mit den konkaven vertauschen. Die wichtigste Hypothese in Bezug auf diesen Fall fußt auf einer evolutionären Beobachtung als Grundlage: Über Millionen von Jahren entwickelten wir die Veranlagung, zu lernen, dass die Quelle des Lichts (die Sonne) von oben kommt. Deshalb werden konvexe Gegenstände oben hell und unten dunkel sein und wird für konkave Gegenstände genau das Gegenteil gelten. Dieses Wissen, oder diese Regel, bestimmt das, was wir wahrnehmen. Drehen Sie die Seite seitwärts und keine der beiden Interpretationen wird vorherrschen.

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