Читать книгу Psychologie. Eine Einführung. Reclam Sachbuch premium онлайн
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Zu Anfang des 20. Jahrhunderts beeinflussten besonders die Gestaltpsychologie und die Psychoanalyse die Entwicklung der Psychologie. In Deutschland arbeitende Gestaltpsychologen machten einige interessante Entdeckungen [14]darüber, wie psychische Prozesse organisiert sind. Sie zeigten, dass unsere Erfahrung nicht lediglich auf den physikalischen Eigenschaften äußerer Reize aufbaut, und schlossen daraus, dass »das Ganze größer ist als die Summe seiner Bestandteile«. Wenn zum Beispiel zwei nah beieinanderliegende Lichtquellen abwechselnd aufblinken, dann sehen wir nur ein Licht, das sich zwischen zwei Positionen hin- und herbewegt (auf diesem Prinzip beruht etwa der Film). Die Erkenntnis, dass innere Vorgänge derart zum Wie des Erlebens beitragen, leistete die Vorarbeit für heutige Entwicklungen in den Zweigen der Psychologie, die sich ausschließlich mit diesen inneren Prozessen befassen.
Sigmund Freuds Theorie von dem fortgesetzten Einfluss früher Kindheitserlebnisse und von den abstrakten psychischen Strukturen, die er Ich, Es und Über-Ich nannte, lenkte die Aufmerksamkeit auf unbewusste Prozesse. Diese Vorgänge, zu denen unbewusste und verdrängte Wünsche und Bedürfnisse zählen, lassen sich zum Beispiel aus Träumen, Versprechern und seltsamen Angewohnheiten ableiten und scheinen das Verhalten zu beeinflussen. Man nimmt an, dass unbewusste Konflikte der Hauptgrund für psychische Leiden sind. Psychoanalytiker versuchen, zu deren Linderung beizutragen, indem sie dazu anregen, diese Konflikte in Worte zu fassen, und indem sie auf ihren Theorien aufbauende Interpretationen anbieten. Die Theorien zu psychischen Vorgängen, die nicht beobachtbar sind, führten jedoch nicht zu überprüfbaren Vorhersagen und sind dafür möglicherweise nicht präzise oder spezifisch genug: Die naturwissenschaftlichen und die interpretativen Zweige der Psychologie entwickelten sich in der Folge völlig unabhängig voneinander.