Читать книгу Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2022 онлайн

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Als Gegenbewegung zu dieser statischen Sicht vom Menschen tritt bereits im 17. Jahrhundert eine vitalistische Strömung auf, die dem Menschen ein inneres Lebensprinzip, eine Art „Seele“ zubilligt.15 Jedoch stehen das 18. und 19. Jahrhundert weiterhin unter dem Eindruck einer mechanistischen Vorstellung vom Menschen. Die Entdeckung von Bakterien und anderen Mikroorganismen ermöglicht neue Interpretationen von Krankheiten.16 Schließlich werden im 20. Jahrhundert funktionelle Gründe (Funktionspathologie) für die Entstehung von Erkrankungen verantwortlich gemacht. Man geht davon aus, dass die Funktionen von Organen oder von bestimmten Regulationsmechanismen gestört sind und dadurch Krankheiten entstehen. Als Ursache solcher Funktionsstörungen werden unterschiedliche Parameter genannt: virale und bakterielle Infektionen, genetische Dispositionen, Schädigungen durch radioaktive Strahlen und schließlich auch seelische Ursachen.

Es war Sigmund Freud, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts derartige seelische Faktoren als Ursache für bestimmte Erkrankungen verantwortlich machte. Innerseelische und zwischenmenschliche Konflikte, die zu Verdrängungen in dem von Freud postulierten Unbewussten führen, drücken sich seiner These nach in Krankheitsphänomenen aus. Mit dieser Annahme wurden – wissenschaftlich gesehen – erstmals seit Beginn der Neuzeit immaterielle Gründe für Krankheitsentstehungen angeführt. Während Freud sich vornehmlich mit neurotischen Erkrankungen befasste, begann sich die aus seinen Erkenntnissen hervorgehende psychosomatische Medizin auch mit organischen Erkrankungen zu beschäftigen. Sie maß den von Freud angesprochenen Konflikten auch Bedeutung für die Entstehung von körperlich-organischen Erkrankungen zu.

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