Читать книгу Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Theologisch-praktische Quartalschrift 1/2022 онлайн

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2 Gesundheit und Krankheits­interpretationen

Der Versuch einer adäquaten Interpretation von Krankheitsphänomenen ist im Laufe der Geschichte immer wieder vorgenommen worden.6 Er entspricht dem Bedürfnis des Menschen nach einem tieferen Verständnis von Krankheiten. Geht man in der biblisch-abendländischen Geschichte zurück – nur diese wird hier betrachtet –, dann zeigt sich, dass auf Fragen nach einer adäquaten Interpretation von Krankheiten unterschiedliche Antworten gegeben wurden.7

In Frühkulturen (bis hin zum Neuen Testament) war man der Auffassung, dass böse Geister und Dämonen den Menschen überfallen, besetzen und erkranken lassen. Im Alten Testament ging man davon aus, dass Gott die Krankheiten schickt, er sie als Heilender aber auch wieder nehmen kann. Neben einer Schuld-Strafe-Äquivalenz wurde ihr Sinn auch in Erziehungs-, Prüfungs- oder Läuterungsabsichten Gottes gesehen. Krankheiten bekamen ausdrücklich religiöse Bedeutung.8

Im Neuen Testament wird Krankheit ebenfalls vor dem Hintergrund der Beziehung des Menschen zu Gott gesehen. Wenn gesagt wird, dass der Engel des Herrn Herodes Agrippa schlägt, der dann, von Würmern zerfressen, stirbt (Apg 12,23), dass diejenigen, die den Herrn auf die Probe stellen, durch Schlangenbisse umkommen (1 Kor 10,9), dass Paulus ein Stachel ins Fleisch getrieben wird – ein Bote Satans, der ihn mit Fäusten schlagen soll –, damit er sich nicht überhebt (2 Kor 12,7), dann zielt das Interesse der Darstellungen auf die existenziellen Erfahrungen, welche mit Krankheiten verbunden sind. Rein natürliche Krankheitsursachen werden nicht angeführt, es fehlt eine objektivierend-wissenschaftliche Betrachtung. Ferner spielt die Annahme einer Besessenheit durch Dämonen eine bedeutsame Rolle. Umgekehrt wird Heilung auf göttliches Handeln und den Glauben des Menschen zurückgeführt.

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