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Kapitel 1

Schock

Mein Hals ist zu und das Atmen fühlt sich an wie eine Strafe. Alles in meinem Körper pulsiert und schmerzt. Aber ich atme. Ich lebe noch. Wie der Schrei einer Mutter, die ihr Kind zur Welt bringt, bohrt sich das Gefühl von Achtsamkeit durch meinen Schädel. Ich achte auf meine Beine, eines davon spüre ich weniger, ist es überhaupt noch da? Bin ich noch da? Und wo befinde ich mich jetzt? Hier riecht es nach Desinfektionsmittel, Klänge sind hörbar, Menschen, die sprechen, ich bin nicht allein. Wage ich es, die Augen aufzumachen? Das ist egal, denn irgendwann starren wir der Realität ins Gesicht. Ich bin in einem Krankenhaus, natürlich bin ich das, ich Idiot habe versucht, mich umzubringen. Ein Plastikrohr steckt in meinem Hals und ich kann mich kaum bewegen. Hier stinkt es. Hier stinkt es nach Tod und ich liege hier, wie eine Fliege in der Suppe. Welcher Tag ist heute? Dieses Rohr ist unerträglich, aber ich kann mich nun mal nicht bewegen. In welchem Krankenhaus bin ich eigentlich? Wie lange war ich weg? Wo war ich? Habe ich zuhause abgeschlossen? Wenn nicht sind bestimmt Leute rein und haben die gebrauchten Kondome und das restliche Chaos in der Wohnung gesehen. Sie haben mich gesehen. Oh Gott, meine Nachbarn wissen bestimmt schon, dass ich versucht habe, mich umzubringen. Ist das Wasser zuhause zugedreht? Ich muss mich waschen. Plötzlich bleibt mein Geist stehen, die Decke starrt mich an und ich starre zurück. Stunden vergehen, ohne dass ich irgendwohin kann, mit irgendjemand sprechen dürfte oder diesen Gestank von mir waschen könnte. Ich glaube, ich habe mich vollgeschissen und nun liege ich hier. Gibt es so etwas wie Krankenschwestern hier? Verdammt, ich möchte schreien, aber der Schrei erstickt in mir drin, so tief in mir drin, dass eine Träne meine Augen verlässt. Meine Tränen sind freier als ich selbst. Stille herrscht, doch diese Stille bewegt sich. Sie pumpt Adrenalin durch meinen Körper, mein Herz rast, ich will hier weg, doch ich kann nicht. Habe ich jetzt eine Panikattacke? Mein Gestöhne wird vom Beatmungsrohr in meinem Rachen abgedämpft. Was, wenn ich für immer so liegen muss? Warum wollte ich denn zurück zu diesem Scherbenhaufen? Mein Herz springt gleich aus meiner Brust, so stark schlägt es, dass es mein Gejammer wie eine Trommel begleitet. Und auf einmal nichts mehr, mein inneres Ausrasten verlässt mich schlagartig. Auf einmal wird mir klar, dass ich lebe, wenn auch regungslos an ein Bett gebunden. Dennoch lebe ich. Ich lache hysterisch, Tränen fließen und verdunsten, meine Angst verflüchtigt sich mit ihnen. Die Tür vor mir öffnet sich, endlich eine Menschenseele, die mich hier rausholen kann, einen Seufzer der Erlösung gebe ich von mir. Der Seufzer wird zu Schock, sobald ich sehe, wer den Raum betreten hat. Ein älterer Mann im schwarzen Mantel, ich weiß, wer das ist, tue so, als läge ich noch im Koma, denn wenn man nicht flüchten oder kämpfen kann, soll man sich künstlich belebt stellen. Er kommt auf mich zu, wenn man lange genug mit einer Person gelebt hat, erkennt man diejenige an ihrem Gang. Meine Brust wird hart und Schweiß staut sich genau an dieser Stelle an. Ich tropfe vor Angst. Er setzt sich neben mich, ich kann noch spüren, wie er meine Hand nimmt. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll, DASS ich noch etwas spüren kann oder vor Ekel sterben soll aufgrund dessen, was ich spüre. Ruhig bleiben, ich muss nicht mal atmen, die Maschine macht das für mich, ich bin eine Maschine, meine Funktion ist es, Ruhe zu bewahren. „Du warst so ein süßes Kind, bis du mich verpfiffen hast. Kinder sollten gesehen werden und nicht gehört und siehe da, jetzt bist du still. Nächste Woche schalten wir dich komplett aus, tja so spielt das Schicksal. Zuerst schreist du Wolf und dann wirst du gefressen, denn es gibt niemanden, der dich hört.“ Er streichelt mein Bein entlang, das Bein, welches weniger beschädigt ist. Natürlich genau das Bein, das sich nicht regen darf. Er geht immer höher und höher, stoppt, sobald er meinen Kot riecht. Ich stecke wortwörtlich in der Scheiße und genau das rettet mich vor einem Übergriff. Oder geht er jetzt weiter? Dieses Biest könnte problemlos Scheiße fressen, er kennt keine Limits. Was passiert jetzt? Durch meine geschlossenen Augenlider kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Ist er angeregt? Angewidert? Ich spüre seinen Atem auf meiner Stirn. „Leider kann ich nicht dabei sein, wenn sie dir den Stecker rausziehen, also verabschiede ich mich jetzt schon bei dir und bedanke mich für den Spaß, den wir in den letzten zwei Jahren hatten. Du warst schön willig, so hättest du als Kind auch bleiben sollen. Still.“ Er setzt sich wieder hin, ich spüre, wie seine Körperwärme weniger intensiv wird. Er drückt auf einen Knopf, der Piepston soll wahrscheinlich eine Krankenschwester rufen.

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