Читать книгу Ich bin Vera. Durch meinen Schatten онлайн

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Das Beatmungsgerät wird aus meinem Hals entfernt, ich kann atmen. Grelles Sonnenlicht scheint mir ins Gesicht, seine Wärme taut mich langsam auf. Ich werde gesäubert, bevor man mir Fragen stellt und meine Reaktionsfähigkeit testet. Wie heiße ich? Wo sind wir? Weiß ich noch, was passiert ist? Die Stimme des Arztes ist beruhigend tief, er spricht langsam wie mit einem Kind. Wie ein Mensch, der Hilfe braucht, werde ich zwar behandelt, wie ein kaputtes Spielzeug fühle ich mich aber an. Ich kann auf keine der Fragen Antwort geben, nicht, weil ich nicht mehr weiß, dass wir in Berlin sind oder dass ich versucht habe, mich umzubringen, sondern weil ich nicht mehr weiß, wer ich bin. Ich kenne diesen Körper nicht mehr und bin nicht mehr der Sprache mächtig. Auch wenn ich wollte, könnte ich den Leuten, die vor mir stehen, nichts mitteilen. Eine Wand aus Eis hat sich zwischen mir und meiner Umwelt gebaut, ich kann die Figuren hinter dieser Wand erkennen und doch nichts mit ihnen anfangen. Bin ich ganzkörperparalysiert? Ja, wahrscheinlich auch geistig. Ich beobachte, wie der Arzt jemanden per Telefon benachrichtigt. Wird er meiner Mutter sagen, dass ich noch lebe? Und wenn sie herkommt, was dann? Soll sie in Tränen ausbrechen vor Freude, dass ihr Kind einen Körper halbwegs noch bewohnt? „Können Sie mich hören, wenn ja, dann blinzeln Sie einmal.“, sagt der Arzt zu mir, nachdem er sein Telefonat beendet hat. Kann ich die Wand zum Schmelzen bringen? Was, wenn sie mich mehr fragen, sobald ich Antwort geben kann? Sie könnten mich nach meinem Stiefvater fragen und ich wüsste nicht, was ich sagen soll. Doch ich blinzle aus Reflex, der Drang nach Verbundenheit mit der Außenwelt ist jetzt wichtiger als meine Angst vor dem Ungewissen.

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