Читать книгу CHANGES. Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit онлайн
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Der stets überragende Lewis, der an der Columbia University lehrt und derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin ist, hat die deutsche Neue Musik mit der Frage der Race konfrontiert. Vor einigen Jahren stellte er Statistiken zusammen, aus denen hervorging, dass bei den ehrwürdigen Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik in sieben Jahrzehnten nur zwei Schwarze Komponist*innen vertreten waren – das entspricht 0,04 Prozent aller ausgewählten Kompositionen. Lewis hat daraufhin nicht nur für eine größere quantitative Vielfalt plädiert, sondern auch für eine andere Vision der Musikkultur selbst – nämlich die einer „kreolisierten“ Welt, in der Geschichten und Identitäten frei zirkulieren. Das Wort „kreolisch“ wird gemeinhin oft verwendet, um die „Vermischung“ verschiedener Races zu kennzeichnen, bezeichnet für Lewis aber – ebenso wie für postkoloniale Theoretiker*innen, die den Begriff übernommen haben – ein viel umfassenderes Zusammenfließen unterschiedlicher Sprachen und Werte.
Der junge Schweizer Komponist und Schlagzeuger Jessie Cox, der bei Lewis an der Columbia University studiert, veranschaulicht, wie eine solche Mix-Zukunft aussehen und klingen könnte. Cox wuchs in der mehrheitlich deutschsprachigen Schweizer Stadt Biel auf, seine Familie hat Wurzeln in Trinidad und Tobago. Schon früh lernte er Djembe und lateinamerikanische Rhythmen und widmete sich später einem gründlichen Studium der modernen Komposition. Bei MaerzMusik trat er im Rahmen der Hommage an El-Dabh am Schlagzeug auf und präsentierte mit Gitarrist Nicola Hein und Sheng-Spieler Wu Wei das teilweise improvisierte Stück Sound is Where Drums Meet. Cox trat auch in einem Programm des Ensemble Modern mit dem Titel Afro-Modernism in Contemporary Music auf, das auch Werke von Hannah Kendall, Alvin Singleton, Daniel Kidane, Andile Khumalo und Tania León vorstellte.