Читать книгу Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie – Studienausgabe. Herausgegeben und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon онлайн

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Es ist selbstverständlich, daß in der Vulgärantike die einzelnen klassischen Autoren und ihre Texte nur eine geringe Bedeutung haben – denn dieses Fortleben vollzieht sich nicht durch Lektüre und Studium, sondern durch Institutionen, Gewohnheiten und mündliche Überlieferung, und sein entscheidendes Merkmal, im Gegensatz zu der Texttreue und Mnemosyne des Historismus, ist unaufhörliche Weiterbildung des überlieferten Stoffes und Vergessen seiner Ursprünge. Es war die Bildung und gebildete Gelehrsamkeit, die tatsächlich abbrach; von den großen Autoren der Antike erhielt sich gar keine oder doch nur eine wirre, immer mehr verblassende Vorstellung. VergilVergil macht als einziger eine Ausnahme; zwar wird auch bei ihm die wirkliche Kenntnis seines Lebens und seines Werkes verworren und ungenau; sie unterliegt, wie die gesamte antike Überlieferungsmasse, sonderbaren und unerwarteten Umbildungen, aber gewisse Elemente seines Wesens bleiben lebendig wirksam, er wird zu einer populären Sagenfigur, die bei aller Entfernung von dem Urbild doch nie ganz die Verbindung zu ihm verliert und die schließlich, in der Danteschen Gestaltung, in tieferer Wahrheit und reinerer Treue zu ihm zurückfindet, als die nur gelehrte und positiv exakte Forschung es vermocht hätte. Dieses außergewöhnliche und mit keinem anderen antiken Schriftsteller vergleichbare Schicksal VergilsVergil hat schon sehr früh das Interesse der modernen Forschung erregt; seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, also zu einer Zeit, als noch niemand daran dachte, sich mit dem mittelalterlichen Fortleben der Antike zu befassen, erschienen eine ganze Anzahl von Schriften über den Gegenstand, und die Summe dieser Forschungen zog Domenico ComparettiComparetti, D. in seinem 1872 erschienenen Buche Virgilio nel medio evo, das noch heute viel benutzt und zitiert wird; seine Gelehrsamkeit und bedeutende Materialkenntnis wird aber beeinträchtigt durch ein politisches Vorurteil und noch mehr durch die mangelnde innere und äußere Gliederung des gewaltigen Zeitraums «MittelalterMittelalter».

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