Читать книгу Gesammelte Werke . Romane, Novellen, Erzählungen, Gedichte und Autobiographie онлайн

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Die Frauenzimmer machten große Augen, als Friedrich unerwartet so sprach. Was er gesagt, hatte wenigstens den gewissen, guten Klang, der ihnen bei allen solchen Dingen die Hauptsache war. Romana, die es von weitem flüchtig mit angehört, fing an, ihn mit ihren dunkelglühenden Augen bedeutender anzusehen. Friedrich aber dachte: in euch wird doch alles Wort nur wieder Wort, und wandte sich zu einem schlichten Manne, der vom Lande war und weniger mit der Literatur als mit dieser Art, sie zu behandeln, unbekannt zu sein schien.

Dieser erzählte ihm, wie er jenem Romane eine seltsame Verwandlung seines ganzen Lebens zu verdanken habe. Auf dem Lande ausschließlich zur Ökonomie erzogen, hatte er nämlich von frühester Kindheit an nie Neigung zum Lesen und besonders einen gewissen Widerwillen gegen alle Poesie, als einen unnützen Zeitvertreib. Seine Kinder dagegen ließen seit ihrem zartesten Alter einen unüberwindlichen Hang und Geschicklichkeit zum Dichten und zur Kunst verspüren, und alle Mittel, die er anwandte, waren nicht imstande, sie davon abzubringen und sie zu tätigen, ordentlichen Landwirten zu machen. Vielmehr lief ihm der älteste Sohn fort und wurde wider seinen Willen Maler. Dadurch wurde er immer verschlossener, und seine Abneigung gegen die Kunst verwandelte sich immer bitterer in entschiedenen Haß gegen alles, was ihr nur anhing. Der Maler hatte indes eine unglückselige Liebe zu einem jungen, seltsamen Mädchen gefaßt. Es war gewiß das talentvollste, heftigste, beste und schlechteste Mädchen zugleich, das man nur finden konnte. Eine Menge unordentlicher Liebschaften, in die sie sich auch jetzt noch immerfort einließ, brachte den Maler auf das äußerste, so daß es in Anfällen von Wut oft zwischen beiden zu Auftritten kam, die ebenso furchtbar als komisch waren. Ihre unbeschreibliche Schönheit zog ihn aber immer wieder unbezwinglich zu ihr hin, und so teilte er sein unruhvolles Leben zwischen Haß und Liebe und allen den heftigsten Leidenschaften, während er immerfort in den übrigen Stunden unermüdet und nur um desto eifriger an seinen großen Gemälden fortarbeitete. Ich machte mich endlich einmal nach der weitentlegenen Stadt auf den Weg, fuhr der Mann in seiner Erzählung fort, um die seltsame Wirtschaft meines Sohnes, von der ich schon so viel gehört hatte, mit eigenen Augen anzusehen. Schon unterweges hörte ich von einem seiner besten Freunde, daß sich manches verändert habe. Das Mädchen oder Weib meines Sohnes habe nämlich ohngefähr ein Buch in die Hände bekommen, worin sie mehrere Tage unausgesetzt und tiefsinnig gelesen. Keiner ihrer Liebhaber habe sie seitdem zu sehen bekommen und sie sei endlich darüber in eine schwere Krankheit verfallen. Das Buch war kein anderes, als eben diese Geschichte von der Gräfin Dolores. Als ich in die Stadt ankomme, eile ich sogleich nach der Wohnung meines Sohnes. Ich finde niemand im ganzen Hause, die Tür offen, alles öde. Ich trete in die Stube: das Mädchen lag auf einem Bette, blaß und wie vor Mattigkeit eingeschlafen. Ich habe niemals etwas Schöneres gesehen. In dem Zimmer standen fertige und halbvollendete Gemälde auf Staffeleien umher, Malergerätschaften, Bücher, Kleider, halbbezogene Gitarren, alles sehr unordentlich durcheinander. Durch das Fenster, welches offen stand, hatte man über die Stadt weg eine entzückende Aussicht auf den weitgewundenen Strom und die Gebirge. In der Stube fand ich auf einem Tische ein Buch aufgeschlagen, es war die Dolores. Ich wollte die Kranke nicht wecken, setzte mich hin und fing an in dem Buche zu lesen. Ich las und las, vieles Dunkle zog mich immer mehr an, vieles kam mir so wahrhaft vor, wie meine verborgene innerste Meinung oder wie alte, lange wieder verlorne und untergegangene Gedanken, und ich vertiefte mich immer mehr. Ich las bis es finster wurde. Die Sonne war draußen untergegangen, und nur noch einzelne Scheine des Abendrots fielen seltsam auf die Gemälde, die so still auf ihren Staffeleien umherstanden. Ich betrachtete sie aufmerksamer, es war, als fingen sie an lebendig zu werden, und mir kam in diesem Augenblicke die Kunst, der unüberwindliche Hang und das Leben meines Sohnes, begreiflich vor. Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie mir damals zumute war; es war das erstemal in meinem Leben, daß ich die wunderbare Gewalt der Poesie im Innersten fühlte, und ich erschrak ordentlich vor mir selber. Es war mir unterdes aufgefallen, daß sich das Mädchen auf dem Bette noch immer nicht rühre, ich trat zu ihr, schüttelte sie und rief. Sie gab keine Antwort mehr, sie war tot. Ich hörte nachher, daß mein Sohn heute, sowie sie gestorben war, fortgereist sei und alles in seiner Stube so stehn gelassen habe.

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