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Stunde 1

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Eigentlich sollte er nicht hier sein. Eigentlich sollte er eine dieser Trainingseinheiten absolvieren, die ihm schon am Morgen beim Einschalten der teuren Espressomaschine, die er sich ausnahmsweise gegönnt hat, die Nackenhaare zu Berge stehen lassen. Vor denen selbst er, der vermeintliche Star, zu dem sie alle aufblicken und dem sie alle, irgendwie, ähnlich oder nahe sein wollen, sich fürchtet. Die er aufschiebt und aufschiebt und aufschiebt, bis es beinahe zu spät ist zum Losfahren, weil am Abend ein Sponsorengespräch oder ein Vortragstermin wartet. Die selbst ihm, dem scheinbar Unverwundbaren, tagelang, vielleicht sogar noch Wochen später in den Knochen stecken. Die es aber dennoch braucht, um ihn zu dem zu machen, der er ist: der absolut Beste in einer Sportart, die schon respekteinflößend genug ist, auch wenn man nicht er ist, und die einen erschaudern lässt, wenn man sich vorstellt, man müsste er sein.

Ultracycling. Einsame Radrennen über extreme Distanzen, nicht im Schutze eines Pelotons, oft mehrere Tage am Stück, gegen eine unerbittlich weitertickende Uhr. In diesem Metier kennt Christoph Strasser alles: die ersten Stunden, von denen sie alle nicht glauben wollen, wie hart sie sich anfühlen; die erste Nacht, in der sich das System umstellt und gegen seinen Willen stemmt, bis ihm die Augen zufallen und er sich auf die falschen Fragen die richtigen Antworten zu geben hat, einmal, zehnmal, hundertmal wenn nötig, denn das ist sein Beruf. Mit der Zeit, mit den Jahren und der Erfahrung, ist es leichter geworden: Er hat gelernt sich von dem Schmerz, der Kälte, der Monotonie zu distanzieren, bis sie ihm nichts mehr anhaben können – jedenfalls redet er sich und ihnen das erfolgreich ein. Seine Hochs dauern länger und seine Tiefs kürzer, seine Gegner können sich kaum mehr vorstellen, wie es ist, ihn zu schlagen. Er weiß das und schöpft daraus Kraft, bricht sie oft, so wie auch dieses Mal, schon am ersten Tag, ganz gleich ob das Rennen zwei, vier oder acht Tage dauert.

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