Читать книгу Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften онлайн

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Die zweite FunktionFunktion verweist auf den diachronenDiachronie, diachron Aspekt von Kultur und symbolisiert den Umgang mit dem Tod, darüber hinaus auch den Umstand, dass Kultur etwas darstellt, das den Tod des Einzelnen übersteigt. Hier ist ein wichtiger Unterschied zwischen den sich überschneidenden Begriffskomplexen ‚Kultur‘ und ‚GesellschaftGesellschaft, gesellschaftlich‘ auffällig: Während ‚Gesellschaft‘ in den Sozialwissenschaften vornehmlich als ein abstraktes, ausdifferenziertesAusdifferenzierung, ausdifferenziert, funktionales synchrones Gebilde angesehen wird (in dem Tradition allenfalls ein Faktor unter vielen ist), als ein System, das nicht selten als Maschine metaphorisiert wird, enthält ‚Kultur‘, jedenfalls in klassischen Konzepten wie in jenen VicosVico, Giambattista, HerdersHerder, Johann G. oder GoethesGoethe, Johann W. eine gegenläufige Konnotation: Kultur wird als konkretes, holistischesholistisch, organisches Gebilde verstanden, das eine unverzichtbare diachroneDiachronie, diachron Achse besitzt. Im Unterschied zu Gesellschaft ist Kultur stets als eine Gemeinschaft von Lebenden und Toten imaginiert. In jeder katholischen Messe wird die Anwesenheit der verstorbenen Mitglieder der Gemeinde angerufen und imaginiert. Das symbolische BandBand, symbolisch zwischen Lebenden und Toten hat eine strukturellStruktur, strukturiert, strukturell religiöseReligion, religiös und mythische Dimension. Das Erinnern und Gedenken steht von daher nicht umsonst im ZentrumZentrum heutiger Kulturwissenschaften. Es verbürgt und beschwört die kollektive IdentitätIdentität einer kulturellen Entität (Familie, Stamm, Volksgruppe, NationNation, Nationalismus, national, Großkultur). Kultur meint jene Dimension des LebensLeben, Lebens-, -leben, die wir selbstverständlich vorfinden. Wir sind nicht in die Welt geworfen,15 wir sind in eine Welt geraten, die immer schon eine kulturelle ist. Keine Generation muss Kultur neu erfinden. TechnikenTechnik, -technik, PraktikenPraktiken, ErzählungenErzählung(en), Einrichtungen – sie sind alle bereits vorhanden. Wenigstens potenziell überdauert die Kultur den Einzelnen. Vermutlich wird in 100 Jahren keiner der heute lebenden Menschen in Deutschland oder Österreich oder sonst wo noch am LebenLeben, Lebens-, -leben sein. Aber wir gehen von der Möglichkeit aus, dass die kulturelle Entität ‚Deutschland‘ oder ‚Österreich‘ oder die ‚Fidschi-Inseln‘ Bestand hat. Natürlich werden die Menschen in diesem geographischen wie symbolischen RaumRaum (symbolischer) ihre jeweilige Kultur verändert haben, aber zumindest leben wir in der Erwartung, dass es auch dann noch Deutsche, Österreicher und Fidschi-Insulaner geben wird. Zwischen diesem Versprechen der Kultur als Garant stabiler, die ZeitenZeit überdauernder Identität und der realen Wandlungsfähigkeit von kulturellen Gemeinschaften besteht gerade im Hinblick auf eine wandlungsfreudige ModerneModerne, modern, -moderne eine gewisse Kluft.

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